Toxic Positivity: Warum negative Gedanken wichtig sind
Toxische Positivität: Warum auch negative Gefühle ihren Platz haben
"Sei immer positiv", "Blick auf das Gute" und "Sei optimistisch": Solche Empfehlungen sind vielen von uns wohlbekannt. Wer online aktiv ist, dürfte auch schon auf den Hashtag #goodvibesonly gestoßen sein, was so viel bedeutet wie „Immer gute Stimmung“ oder „Ausschließlich positive Emotionen“. Dieser Trend hat einen Namen: Toxic Positivity – zu Deutsch schädlicher oder toxischer Optimismus. Zwei Fachfrauen erörtern, warum es wichtig ist, auch negative Gefühle zuzulassen und wie übermäßiger Optimismus kontraproduktiv sein kann.
Das breite Spektrum positiver Emotionen
Die Palette positiver Emotionen, so Dorothee Salchow, Coach und Lehrende der positiven Psychologie in Hamburg, ist umfangreich und umfasst Freude, Inspiration, Genuss, Gelassenheit, Stolz, Interesse, Hoffnung, Dankbarkeit, Ehrfurcht sowie Liebe. „Die meisten Menschen wissen gut mit positiven Emotionen umzugehen“, so Salchow. Negative Gefühle geraten dabei jedoch oft ins Hintertreffen.
Unterdrückte Gefühle und ihre Folgen
Ihre Wichtigkeit betont sie: „Es ist essentiell, dass wir uns allen Gefühlslagen öffnen.“ Das Unterdrücken negativer Emotionen hat negative Konsequenzen, illustriert Salchow: „Verdrängte Gefühle trainieren im Untergrund und kehren stärker zurück.“ Professorin Astrid Schütz, Leiterin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Bamberg, führt das Phänomen der Toxic Positivity auf den Rebound- oder „Weißen Bären“-Effekt zurück: Wer versucht, nicht an etwas – wie einen rosa Elefanten – zu denken, wird es umso mehr tun. Negative Emotionen zu ignorieren führt ebenfalls zu einer Zunahme dieser Gefühle und verursacht permanenten Stress, was letztlich in ein Burn-out münden kann.
Negative Emotionen als wichtige Signalgeber
Darüber hinaus signalisieren Gefühle wie Angst, Wut oder Trauer, dass mit einer Situation etwas nicht stimmt, was schon seit Urzeiten der menschlichen Entwicklung überlebenswichtig ist. In unserer modernen Welt liefern negative Emotionen Hinweise auf relevante Themen – Ärger mit einem Partner weist zum Beispiel darauf hin, dass uns die Beziehung wichtig ist.
Emotionales Gleichgewicht und soziale Medien
Trotz der bekannten Negativitätsverzerrung, bei der negative Emotionen intensiver empfunden werden, ist ein emotionales Gleichgewicht essenziell. Dabei sollte man ein Verhältnis von drei positiven zu einer negativen Emotion anstreben, so Salchow. In sozialen Netzwerken wie Instagram hingegen steht die Präsentation eines perfekten Lebens im Vordergrund, was den Eindruck einer verzerrten Realität erzeugt. Hashtags wie #goodvibesonly werden dort oft zu Oberflächlichkeit verkürzt.
Achtsamkeit für die Gefühlswelt
Eine sinnvolle Balance zwischen negativen und positiven Emotionen lässt sich mit Achtsamkeit erreichen, erläutert Prof. Schütz, Expertin für emotionale Intelligenz. Durch vollständiges Wahrnehmen sowohl positiver als auch negativer Gefühle – ohne Grübeln und anhaftende Negativität – kann eine gesunde Balance hergestellt werden. Im Kern: #allfeelingsarewelcome – alle Gefühle gehören dazu.