Mit Turbo statt Saugmotor – stärker und besser?
Mehr Leistung, mehr Ausstattung, mehr Tempo – die neue Carrera GTS-Familie dürfte Fans des 911 begeistern – bei der ersten Probefahrt schaffte sie das mit dem Redakteur.
Wie kaum eine andere – ach quatsch, wie keine andere Automarke spielt Porsche auf der Klaviatur der Lust. Begehren erzeugen, Befriedigung bieten, sich rarmachen, seinen Wert kennen, akkurat gegeneinander abgrenzen. Das gilt auch für die GTS-Modelle des 911 Carrera. Anders als bei den Vorgängern, unterhalb der rennsportlichen GT die Krönung der Saugmotor-Kultur im 911, atmen sie nun wie die übrigen Carrera per Biturbo. Da wird es mit der Differenzierung schon schwerer. Denn außer den GT3 werden inzwischen alle 911 per Lader zwangsbeatmet. Auch der Carrera S und GTS. Routinierte Porsche-Kunden dürften trotzdem selbst bei der Preisdifferenz von knapp 110.766 zu 125.451 Euro nicht in Schnappatmung verfallen.
Porsche 911 Carrera GTS (2017) mit 450 PS
Mit seinen 450 PS (30 extra) sowie 550 Newtonmetern Drehmoment drückt so ein GTS dank neuer Lader so engagiert, dass es vor ein paar Jahren noch zum Topmodell-Status gelangt hätte. Die Verdichterräder wuchsen von 51 auf 55, die Turbine von 45 auf 48 Millimeter, den Rest erledigt die Motorsteuerung, die die Mechanik für die größere Luftmenge konditioniert. Vorteil für Porsche: es sind keine Änderungen an der Hardware von Ansaugtrakt bis Abgasanlage nötig. Das maximale Drehmoment steht zwar etwas später parat als beim S-Modell, dafür drückt es entschlossener. Knapp oberhalb von 2.000/min geht es los. Und über 300 km/h schaffen alle GTS.
Wie, alle? Stichwort Klaviatur: Porsche lässt schließlich nicht nur einen GTS auf die Elfer-Gemeinde los, sondern gleich ein ganzes Rudel. Genauer: fünf Varianten. Vom Puristen 911 Carrera GTS Coupé mit Hinterradantrieb und Handschaltung (mit 312 km/h, bester Topspeed) über den Sprinter Carrera 4 GTS Coupé mit Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe (0-100 km/h in 3,6 s) bis zu den Frischluft-Varianten Cabrio und Targa (letzterer grundsätzlich mit Allrad und PDK). Welchen wir nehmen? Auf der Rennstrecke natürlich das Coupé. Es ist hier ebenso reizvoll wie alternativlos.
Breitere Karosserie (wie bei den Allradmodellen) samt entsprechend breiter Spur plus härtere Stabis, neues Bugteil mit tieferem Spoiler und der weiter ausfahrende Heckspoiler binden den GTS noch intensiver an den Asphalt als die S-Geschwister, zumal Adaptivdämpfer bei allen, das tieferlegende PASM Sportfahrwerk beim Coupé Serie ist. Na und über die geschmackssicher-sportive Alcantara-Einrichtung wird erst recht keiner meckern. Über die abgedunkelten Rückleuchten wohl auch nicht, das durchgängige Band bleibt den Allradlern vorbehalten.
Toller Sound dank Sportauspuff – trotz Turbo
Doch kümmern wir uns nun mal ums Fahren. Sitzposition wie gehabt, also perfekt auf den fest zupackenden Sportsitzen, serienmäßig mit Vierwege-Verstellung (für Fans: mit neuem Nahtbild). Und fester Halt schadet nicht, wenn der GTS die nächste Gerade in Angriff nimmt. Beschleunigen kann er, der Biturbo lädt wuchtig von untenraus durch, der nächste Gang sitzt sicher (Handschaltung, toll!), der Anschluss auch. Kein Wunder, beim Gaswegnehmen schließen die Drosselklappen nicht ganz, sodass die Gassäule im Ansaugtrakt nicht komplett zusammenbricht. Turbine und Lader bleiben also stets in Stimmung, was die Ansprechzeit beim erneuten Gasgeben verkürzt. So die Langfassung. Kurzfassung: Toll! Es fällt Saugmotor-Fans schwer es zuzugeben, aber der Biturbo hat was. Auch emotional, wie er da so pfeift und macht und tut, aus dem serienmäßigen Sportauspuff vernehmlich röhrt und beim Gaswegnehmen sprotzelt – großer Respekt. Den sich Porsche eh schon mit der variablen Ladergeometrie verdient, einem weiteren Feature, das den Turbo beim Ansprechverhalten nah an den Sauger rückt. Über Drehmoment und Leistung müssen wir nicht reden.
Ja, diese Orchestrierung beim alten Dreiachter-Sauger, wenn er seine Atmung je nach Drehzahl hör- und fühlbar umstellte, die Auspuffklappen einband, das war schon großes Kino. Doch wenn der GTS ganz lässig eine Drehmomentkelle austeilt, fein dosierbar wohlgemerkt, ohne beim Ausdrehen zu schwächeln, da wird es schwer, durch die freudenvertränten Augen verbissen herumzukritisieren. Der GTS ist schon ein buchstäblich starker Typ. Alltagstauglich für alle, die genug Geld haben, ihn sich leisten zu können, ohne sein Potenzial auch nur ansatzweise auskosten zu wollen. Sie genießen seinen festen Händedruck, sein umgängliches Wesen, ordentliche Übersicht, erträgliche Abmessungen (ja, manche sehen das anders) und den überraschend guten Komfort. Ohne zum Schluffi zu verweichlichen.
Präzises Lenkverhalten und Wankstabiliserung
Nix mit Schlabber, der Kerl ist fit und hellwach, folgt sauber den Kommandos am Lenkrad. Mögen sie einst mit den schwergängigeren Hydrauliklenkungen noch trockener rübergekommen sein, präzise reagiert er, der GTS. Zumal mit der optionalen Hinterachslenkung, die Handlichkeit und Stabilität jeweils dann fördert, wenn eine der Eigenschaften gefordert ist. Er profitiert von der breiteren Spur, liegt satt und sicher, die Regelelektronik ist praktisch nicht gefragt, wenn sich die UHP-Reifen Pirelli P Zero Corsa mit dem Asphalt verzahnen. Nervosität? Keine Spur. Ob Bodenwellen in der Anbremszone oder miese Oberfläche bei Wechselkurven – der GTS steckt es gelassen weg. Seine Dämpfer arbeiten sanft genug dafür, ohne Wanken zuzulassen. Ach ja, Wankstabilisierung ist ja auch an Bord.