Nach der ersten Runde steigen Reifentemperaturen und Vertrauen ins Auto, der Fotograf protestiert nicht, und der Lambo ebensowenig. Straffe, zupackende Lenkung, kein Hauch von Untersteuern, der Urus frisst sich in die Kurven, nicht leichtfüssig, eher entschlossen und nachdrücklich.
Nach ein paar Kurven hast du den Dreh draus: Anbremsen, Gewicht auf die Vorderräder drücken, nicht zu hektisch einlenken, Scheitelpunkt anvisieren und wieder aufs Gas. Dann bleibt der Urus sehr lange neutral, bis er zart beginnt, über alle vier Räder nach außen zu schieben.
Der Urus kommt serienmäßig mit vier Karon-Keramik-Scheiben (vorn 440, hinten 370 Millimeter), entsprechend standfest zeigt sich die Anlage. Fading? Nein.
Die Ampel springt auf Grün, ersten Gang reinschnippen und los. Auf der Mittelkonsole sitzen die beiden sogenannten Tamburi, Bedieninseln für Fahrprogramme, Fahrwerkseinstellung und Getriebe, einfach zu ertasten.
Die Wankstabilisierung und die Allradlenkung halten den Urus mit fast beliebigem Tempo auf Kurs, die Insassen bekommen davon kaum etwas mit, außer dass die Landschaft etwas schneller vorbeizieht.
Wer schon einmal in einem A8 der aktuellen Generation saß, wird mit dem Urus nicht lange fremdeln. Viele Bedieneinheiten stammen von Audi. Was ja nicht schlecht ist, da kann es einen in einem Kleinserien-Exoten schon schlechter treffen.
Und es ist nicht alles wie bei Audi, Sechseck-Formen dominieren das Interieur, ein Lambo-typisches Stilelement, das im Übrigen auf den Prototypen Marzal von 1967 zurückgeht.
Im linken Tamburo wird „Sport“ angewählt, der Auspuff verschärft seine Tonlage und die adaptiven Dämpfern straffen sich, das ist auf der topfebenen Rennstrecke jedoch kaum spürbar.
Mit dem neuen Urus brechen die Italiener die Saugmotor-Tradition. Man rechtfertigt es mit den Fahrwerten. 0-100-km/h im zweiten Versuch: 3,39 Sekunden.
Lamborghini will mit seinem neuen SUV die jährliche Stückzahl verdoppeln. Schon im ersten Verkaufsjahr peilen die Italiener einen Absatz von rund 3.500 Modellen an. Zu einem Stückpreis von 204 000 Euro (Verkaufspreis Deutschland). Die ersten Exemplare sollen im Sommer 2018 an Kunden ausgeliefert werden.
Die sechseckigen Radhäuser lehnt Lamborghini an den LM002 an. Der Urus übertrifft seinen Vorgänger in Länge (21,2 cm) und Breite (1,6 Zentimeter), ist dafür aber um 21,2 Zentimeter flacher. Auch den Porsche Cayenne überbietet der Urus in Länge und Breite deutlich. Im Gegensatz zur SUV-Konzernschwester baut er dagegen um 3,5 Zentimeter flacher. Die Spur vorn bemisst Lamborghini auf 1,695 Meter.
Der Urus steht auf Felgen zwischen 21 und 23 Zoll. Unser Fotomodell hat die größten Räder aufgeschnallt. Unter den 23 Zoll großen Radkränzen wachen 440 Millimeter breite Bremsscheiben über den Urus. Die übersteigen die Größe eines Pizzatellers.
Vier faustgroße Endrohre schmücken die Rückansicht. Der Heckflügel ist in der Mitte etwa eine Hand breit. Ein Dachkantenspoiler sorgt für zusätzliche Stabilität.
Im LM002 konnte der Fahrer schon mal in Platzangst verfallen. So beengt fühlten sich manche im fast fünf Meter langen Dickschiff. Der Urus hingegen lässt einem Luft.
Auf der Fahrerseite findet man sechs unterschiedliche Modi: Strada (Straße), Sport, Corsa (Rennen) und Neve (Schnee) sind Serie. Die zwei Offroad-Einstellungen Terra (Erde) und Sabbia (Sand) muss der Kunde zusätzlich bestellen.
Auf der anderen Seite richtet man den Ego-Modus ein. Hierüber kann der Fahrer den Antriebsstrang, die Lenkung und Aufhängung anpassen. Je nach Einstellung verändert der Urus die Parameter für Motor, Getriebe, Sound, Differential, ESP und Fahrwerk.
Das digitale TFT-Display spielt verschiedene Ansichten ein. Unter den sechseckigen Lüftungsdüsen fasst Lamborghini den ersten von zwei Bildschirmen ein. Eine leichte Neigung zum Fahrer hätte die Draufsicht erleichtert.
Wie zum Beispiel die Einparkhilfe. Über den unteren Bildschirm bedient man die Klimasteuerung und die Sitzheizung. Man muss schon ein bisschen fester drücken, bis die Eingabefelder reagieren.
Das unten abgeflachte Lenkrad mit Alcantara-Kranz und einem Durchmesser von 37,6 Zentimetern liegt geschmeidig und griffig in der Hand. Die Schaltwippen auf der Rückseite drehen sich bei Einschlag mit und sind mit den Fingern leicht zu erreichen. Gedanklich hebt man die Lambo-typische Klappe über dem Startknopf bereits an, weckt den Biturbo-V8 und steuert den Urus über eine kurvige Landstraße, während man von einem Gang der Achtstufenautomatik in den nächsten zappt.
... Trotz des coupéhaften Dachs bleiben bei einer Körpergröße von 1,87 Meter noch einige Zentimeter bis zum Dachhimmel. Die Beinfreiheit? Richtig großzügig.
In Giallo Auge fällt der Lamborghini Urus nicht nur durch seine wuchtige Front auf. Und diese Farbe bekommt der Kunde auf Wunsch nicht nur für das Exterieur - siehe die nächsten Bilder.
Wer mag, kann sich silberne Felgen unter seinen grünen Urus schrauben lassen. Zudem gibt es auf Wusch Bremssättel in einem helleren, sich irgendwie mit der Karosseriefarbe beißendem Grünton.
Der Urus ist der schnellste SUV der Welt. Ein Bentley Bentayga erreicht 301 km/h, ein Porsche Cayenne Turbo 286 km/h und ein Range Rover Sport SVR 280 Sachen.
Mit einer Luftfederung, Wankstabilisierung (48-Volt-Bordnetz) und Hinterachslenkung schöpfen die Italiener alle Mittel aus, um den SUV auf Fahrdynamik zu trimmen.
Die Hinterräder lenken bei niedrigen Geschwindigkeiten bis zu drei Grad gegen, um den Urus wendiger zu machen. Der Radstand verkürzt sich virtuell um bis zu 60 Zentimeter.
Bei hohen Geschwindigkeiten lenken sie um bis zu drei Grad mit, um ihn fahrstabiler zu bekommen. Dann verlängert sich der Radstand virtuell um bis zu 60 Zentimeter.
Die Luftfederung erlaubt, die Bodenfreiheit zwischen minimal 15,8 und maximal 24,8 Zentimeter zu verändern. Fun Fact: Das Nervensystem des Urus bilden fast 100 Elektronikboxen, Steuergeräte und Sensoren.
Lamborghini bittet zur Fahrerprobung nach Nardo. Nicht mit irgendeinem Serienauto, sondern mit den ersten Prototypen des SUV namens Urus. Na dann wollen wir mal!
Getriebe auf M, den Wählschalter von Strada auf Corsa, ab geht‘s. Und wie! Jetzt frisst der Urus die lange Gerade an der Boxenmauer entlang blitzschnell auf
Die Kohlefaserbremsen (vorn 440, hinten 370 mm Durchmesser) greifen gnadenlos zu, das Heck wird ein wenig leicht, zuckt kurz nach außen. Einlenken, sacht aufs Gas, das hat gerade so gepasst.
In die engeren Kurvenkombinationen beißt sich der Prototyp förmlich rein, lenkt auf den Punkt exakt ein, wirft das allradgelenkte Heck nach. Untersteuern im Lamborghini Urus? Keine Spur. Traktion? Oh ja, jede Menge.
Das Torsendifferenzial in der Mitte und das Sportdiff mit Torque Vectoring zerteilen die 850 Nm Drehmoment des Vierliter-V8 so rasend schnell auf die Räder, dass keines davon eine Chance zum Durchdrehen hat.
Das ESP bleibt am anderen Ende der langen Leine, es hält sich sehr zurück, lässt leichte Driftwinkel zu, greift ab und zu stabilisierend ein, überlässt dem Fahrer jedoch weitgehend die Kontrolle.
Beim Einlenken kurz auf die Bremse, der Schwerpunkt verlagert sich auf die Vorderräder. Das gibt Grip zum Einlenken. Dann aufs Gas, das Heck kommt rum, weich, kontrollierbar, leichtes Gegenlenken, auf dem Gas bleiben. Bis Nebensitzer Nicolo Piancastelli „brake“ sagt, oder „brake, brake, brake“.
In 3,4 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen, auf Schotter quer fahren oder exakt und feinfühlig mit Höchsttempo der Ideallinie auf der Rennstrecke folgen, der Urus kann das alles.
Anschauen und aussuchen können Kunden die Editions-Stücke im Lambo-Hauptquartier im komplett mit Riva-120-Möbeln ausgestatteten Showroom der Collezione Ad Personam.