Was tun bei Internet- und Social-Media-Sucht?

Social Media gehört zum Alltag, kann aber problematisch werden, wenn sich Suchtanzeichen zeigen. Das kann man gegen Internet- und Social-Media-Sucht tun.
Die unterschätzte Gefahr: Soziale Medien haben Suchtpotenzial
Rund 3,6 Milliarden Menschen nutzen die sozialen Medien täglich. Allgemein werden unter dem Begriff alle digitalen Technologien und Medien verstanden, über die eine Kommunikation der Nutzer möglich ist. Neben WhatsApp und Facebook sind das auch Instagram, TikTok, Twitter und YouTube. Sie alle sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken und erlauben eine Vernetzung mit der ganzen Welt. Doch eine übermäßige Nutzung kann zu Problemen führen, die sich nicht nur auf das gesellschaftliche und soziale Miteinander beziehen, sondern auch auf die eigene Gesundheit.
Die wichtigsten Plattformen
Über drei Milliarden Nutzer verzeichnet Facebook pro Monat, damit ist die Plattform führend im Hinblick auf die Anzahl der aktiven Nutzer. Dicht gefolgt von YouTube, welches immer noch auf etwa 2,29 Mrd. Nutzer pro Monat kommt. Pro Tag werden etwa eine Milliarde Stunden Videos konsumiert. Rund zwei Milliarden Nutzer hat Instagram, wobei es hier vor allem um die lustigen und kreativen Inhalte geht.
Besonders spannend: Von den Kindern, die zwischen 4 und 18 Jahre alt sind, nutzen etwa 41 Prozent die Plattform TikTok. Hierbei geht es nicht nur um die Kommunikation untereinander, sondern dieser Dienst nimmt nicht zuletzt erheblichen Einfluss auf die Meinungsbildung der Kinder und Jugendlichen.
Suchtstudie zu Social Media durch verschiedene Forschungsstellen
Zwei Wissenschaftler der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems sowie der Universität Wien in Österreich sind der Frage nachgegangen, welche Konsequenzen der Entzug der Social-Media-Anwendungen hat. An der entsprechenden Studie zur Suchtforschung nahmen 152 Personen teil, sie waren im Alter zwischen 18 und 80 Jahren. Rund 70 Prozent davon waren weiblich. Insgesamt wurden 1.000 Personen zur Studie gebeten, doch nur die genannten 152 wollten daran teilnehmen und nur etwa 15 Prozent waren zur Abstinenz der Social Media Kanäle bereit.
Auch die DAK und das Deutsche Zentrum für Suchtfragen untersuchte die Social-Media-Abhängigkeit von Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren. Den Ergebnissen der Studie zufolge, erfüllen rund 2,6 Prozent der Testteilnehmer die Kriterien für eine Abhängigkeit. Entdeckt wurde zudem ein Zusammenhang zwischen der Sucht und Depressionen. Die Studienergebnisse in der Kurzfassung:
rund 2,6 Prozent der 12- bis 17-jährigen Jugendlichen sind internetsüchtig Mädchen sind mit 3,4 Prozent häufiger betroffen als Jungen mit 1,9 Prozent Mädchen sind täglich ca. drei Stunden im Netz, Jungen rund 2,5 Stunden WhatsApp ist die Nr. 1, dann folgen Instagram und Snapchat die Gefahr von Depressionen steigt bei internetsüchtigen Jugendlichen um das 4,6-Fache Soziale Medien werden als Flucht vor Problemen des Alltags genutzt
Symptome und Behandlung der Social-Media-Sucht
Die Auswirkungen der Internet- und Social-Media-Sucht sind vielfältig und reichen von Müdigkeit durch zu wenig Schlaf in der Nacht über die soziale Isolation bis hin zu tatsächlichen gesundheitlichen Folgen. Erschreckend: Die oben genannte Studie hat ergeben, dass rund acht Prozent der Befragten mit allen Freunden nur über die sozialen Medien in Kontakt stehen, sodass sich reale Begegnungen nur noch auf die Schule und das beginnende Arbeitsleben beschränken. Rund fünf Prozent der Befragten nutzen zudem lieber Social Media und zeigen keinerlei Interesse mehr an anderen Hobbys.
Die Symptome der Internetsucht
Gerade Eltern kennen das Symptom der verstärkten Reizbarkeit: Internetabhängige Kinder und Jugendliche sind häufig aufbrausend und können regelrechte cholerische Anfälle haben. Sie sind überreizt, vernachlässigen die Schule und nutzen die sozialen Medien häufig heimlich, wenn es entsprechende Verbote seitens der Eltern gibt. Andere Aktivitäten werden vernachlässigt. Auch die folgenden Symptome weisen auf eine Abhängigkeit von Internet und Sozialen Medien bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen hin:
tägliche Aufgaben und Pflichten werden vernachlässigt Kontakte über die Sozialen Medien scheinen wichtiger als echte Freundschaften ohne Nutzung der Social-Media-Accounts zeigen sich Entzugserscheinungen (Angst, Nervosität, Stressverhalten, Aggressivität) Schlafmangel und Konzentrationsschwächen werden in Kauf genommen andere Hobbys bleiben auf der Strecke die wirkliche Nutzungsdauer wird nicht genannt oder ist nicht bekannt
Interessant dabei ist, dass nicht jeder Nutzer süchtig wird. Die eigene Persönlichkeit scheint maßgeblich Einfluss darauf zu haben, ob sich eine Abhängigkeit entwickelt. Psychologen gehen davon aus, dass vor allem Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl anfällig für die negativen Folgen der Internetnutzung sind. Wer sich im echten Leben damit schwertut, neue Freundschaften zu schließen, bekommt in den sozialen Medien schnell das Gefühl, gemocht und vor allem gesehen zu werden. Damit wird aber ein gewisser Druck aufgebaut, immer wieder neue Inhalte zu posten.
Auch die Suche nach Ablenkung bei Ärger, Langeweile oder Stress kann zur vermehrten Nutzung von Twitter, TikTok oder Instagram führen. Wer keine anderen Stressbewältigungsstrategien parat hat, kann schneller in der Abhängigkeit landen. Häufig zeigt sich ein Kontrollverlust: Die Nutzer und Nutzerinnen haben es nicht mehr unter Kontrolle, wann sie posten, scrollen oder liken. Auch die Frage nach dem "Warum" kann nicht beantwortet werden.
Checkliste zur Einschätzung der Suchtgefahr
Bin ich internetsüchtig? Je mehr der folgenden Fragen mit "Ja" beantwortet werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Sucht. Vorsicht ist ab einer Bejahung von fünf Fragen geboten:
Nutze ich die Sozialen Medien mehrmals täglich auch für längere Zeit? Kann ich das gesetzte Zeitlimit für die Nutzung nicht einhalten? Werden andere Aufgaben zugunsten des Internets vernachlässigt? Werden Soziale Medien zur Entspannung genutzt? Sind reale Gespräche bei der Nutzung der Sozialen Medien unwichtig? Stellen sich Unruhe und Nervosität ein, wenn eine soziale Plattform nicht genutzt werden kann? Gab es schon gescheiterte Versuche einer Internetabstinenz? Sind andere Hobbys und Aktivitäten uninteressant geworden? Werden Ausgaben für In-App-Käufe getätigt, die nicht geplant waren? Ist das Selbstwertgefühl von Reaktionen anderer in den Sozialen Medien abhängig? Stellen sich durch die vermehrte Nutzung der Sozialen Medien Schuldgefühle ein? Ist die Nutzung der Sozialen Medien zwanghaft?
Wege aus der Internetsucht
Stellt sich bei einer Reflexion des eigenen Internetverhaltens heraus, das bereits eine Sucht vorliegt, sollten entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Eine ausgewogene Balance zwischen den Internetaktivitäten sowie den Aktivitäten im realen Leben ist wichtig. Nach einer ehrlichen Selbstreflexion muss daher ein Ziel gesetzt werden, das sich beispielsweise um eine maximale Nutzungszeit oder auf Zeiten, in denen die verschiedenen Plattformen nicht genutzt werden, beziehen kann. Um das Ziel zu erreichen, kann ein Plan festgelegt werden. Möglich ist auch die Einstellung des automatischen Sperrens bestimmter Apps, wenn eine zuvor definierte Nutzungszeit erreicht wurde. Es ist zudem hilfreich, das nähere Umfeld mit einzubeziehen. Teilweise kann überdies eine Therapie beim Psychologen sinnvoll sein.
Als wichtige Schritte für die Bekämpfung der Internet- und Social-Media-Sucht zeigen sich somit:
Selbstreflexion Zielsetzung und Maßnahmenfestlegung Information des eigenen Umfelds Gründe für die Internetsucht definieren Benachrichtigungen abschalten Apps vom Startbildschirm entfernen Nutzungsverhalten weiter beobachten, Limits für die Nutzung setzen bei einer Sucht der Kinder: Kinder und Jugendliche über Gefahren aufklären, Medienkompetenz vermitteln und aufzeigen, dass die virtuellen Inhalte nicht der Realität entsprechen (ggf. psychologische Hilfe holen) Apps deinstallieren, wenn einfaches Abschalten nicht hilft