Smarte Lautsprecher auf Basis des Raspberry Pi
Alexa & Co. sagen Ihnen im Prinzip zu, aber Sie suchen eine eigene Lösung? Dann wären ein Raspberry Pi und Picroft eine Alternative.
Lauschangriff oder Lebenserleichterung?
Produkte wie Google Home, Apple Home Pod oder die diversen Alexa-Produkte von Amazon sollen Hilfe in allen Lebenslagen geben. Kritiker hingegen erkennen die smarten Lautsprecher als permanent eingeschaltete Abhörmechanismen, die dazu beitragen, die Privatsphäre des Anwenders zu untergraben. Um nicht zum gläsernen Nutzer zu werden und dennoch einige der Vorteile der Systeme mitzunehmen, steht mit dem Raspberry Pi eine Bastellösung bereit. Dank des Mini-Computers sowie ein wenig zusätzlicher Hardware und der Linux-Distribution Picroft kann der Traum wahr werden.
So bauen Sie sich einen Alexa-Klon mit dem Raspberry Pi
Picroft-Lautsprecher: Was brauche ich?
Prüfen wir zuerst die Hardware, die Sie unbedingt benötigen:
1. Ein Raspberry Pi in der Versionsnummer 3 oder besser. Frühere Modelle funktionieren, aber sind im Alltag zu langsam.
2. Eine microSD-Karte mit mindestens 8 GB Kapazität - mehr ist natürlich besser.
3. Für die Einrichtung brauchen Sie eine Maus und Tastatur, die Sie mit dem Raspberry Pi verbinden.
4. Ein Mikrofon, das Sie an die USB-Schnittstelle anschließen können. Andernfalls kann das System Ihre Spracheingaben nicht empfangen.
5. Ein Lautsprecher, der seinen Eingang am 3,5-Millimeter-Anschluss der Raspberry-Platine findet.
Weitere Anschaffungen sind wahrscheinlich nicht notwendig. Um das gesamte System einzurichten, verbinden Sie den Raspberry Pi mit dem Internet (wahlweise via WLAN oder über ein Ethernet-Kabel). Danach laden Sie das neueste Image von Picroft auf das Gerät, die URL dazu lautet https://mycroft.ai/get-mycroft. Jetzt nutzen Sie entweder Etcher, dd oder Win 32 Disk Imager, um das Betriebssystem auf die microSD-Karte zu kopieren.
Danach stecken Sie alle Bauteile zusammen und schließen auch einen Monitor an den Raspberry Pi an. Alternativ können Sie den Zugriff auch über einen SSH-Server realisieren, dann brauchen Sie aber die IP-Adresse des Geräts (welche Sie wiederum in der Benutzeroberfläche des Routers finden). Verbinden Sie sich dann über "ssh pi@IP-Adresse" mit dem Computer, der Zugriff klappt dort über das Passwort "mycroft".Einrichtung der Software und Hardware
Ob Sie sich jetzt am Ende via SSH mit dem Raspberry Pi und Picroft verbinden oder mit Tastatur und Monitor, spielt keine Rolle. Am Ende führt Sie die Distribution auf jeden Fall durch die nächsten Schritte. Zuerst wird eine Verknüpfung mit Ihrem eigenen Mycroft-Konto in der Cloud des Anbieters angelegt. Über den automatisch eingeblendeten Einrichtungsprozess ist das kein Problem. Auch die Einrichtung von Mikrofon und Lautsprecher übernimmt das System danach für Sie über einige Schritte, die ebenfalls selbsterklärend sind. Möchten Sie jetzt bereits ein wenig Feintuning betreiben, stellen Sie die Pegel für Lautsprecher und Mikrofon bereits auf die gewünschte Empfindlichkeit ein.
Deutlich wichtiger als diese einfachen Schritte sind die Konfiguration des Netzwerks sowie die Verbindung des gesamten Systems mit den Servern von Picroft. Ohne die Verbindung klappt es nicht, es werden also auch hier Daten erhoben - aber nicht gesammelt. Alle übermittelten Spracheingaben landen im digitalen Nirwana und nicht auf irgendwelchen Servern des Unternehmens.Schauen wir uns anhand des Verbindungsaufbaus über WLAN an, wie das alles funktioniert:
1. Entscheiden Sie sich zunächst für das Setup via WLAN. Dazu klicken Sie auf "Basic Wifi with SSID and password". Geben Sie dort die Verbindungsdaten des WLAN-Netzwerks bei Ihnen zu Hause ein. Achtung: Es muss sich um ein 2,4-GHz-Netzwerk handeln.
2. Nach der Verbindung mit dem Internet wird das System noch einmal aktualisiert. Außerdem gibt es dann einen Code für die Kopplung mit dem soeben angelegten Mycroft-Account. Das wird dann übrigens schon per Sprachausgabe geregelt, alternativ sehen Sie den Code am Monitor, sofern vorhanden.
3. Auf https://home.mycroft.ai legen Sie sich jetzt ein neues Konto an. Über "Add Device" starten Sie dann das Pairing, dazu brauchen Sie noch einen sechsstelligen Code, den Ihnen Picroft automatisch vorliest. Das wird solange wiederholt, bis die Verbindung mit der Cloud hergestellt ist.
4. Wenn Sie jetzt fertig sind, können Sie schon erst Spracheingaben durchführen. Beispielsweise wird Ihnen das System sagen, was es kann, wenn Sie es danach fragen: "Hey Mycroft, what can you do?"
Fertig: Ihr Open-Source-Alexa-Klon ist einsatzbereit!
Kann Picroft wirklich konkurrieren?
Ganz klar: nein. Mit dem Funktionsumfang von Alexa, Siri, Cortana & Co. kann Picroft nicht ansatzweise mithalten. Hinter diesen Systemen stecken Milliarden an Investitionen und einige der klügsten Köpfe der Welt forschen daran. Eine "Bastellösung" kann damit nicht mithalten und wird es wahrscheinlich auch nie können. Ausschlaggebend dafür sind vor allem drei Bereiche:
- Die Hardware: Amazon, Google und andere Unternehmen stecken viel Know-how in die Fähigkeit, Sprachinformationen aus 360 Grad aufzusammeln. Wo genau Sie dann im Zimmer stehen, ist praktisch nebensächlich. Das klappt bei Picroft überhaupt nicht, denn das System verlangt, dass Sie schon ziemlich deutlich in das Mikrofon sprechen.
- Die Steuerung von Smart-Home-Geräten ist ebenfalls betroffen. Dass sich Neuanschaffungen einfach so ohne Umwege sofort mit Picroft verbinden, ist die Ausnahme und nicht die Regel. Es ist daher ein wenig Bastelarbeit notwendig - mal mehr, mal weniger. Wer etwa eine Lampe oder einen Thermostat steuern will, muss dafür darauf hoffen, dass es eine Installationsdatei von Picroft gibt, und auch die Steuerungszentrale (vielleicht Open HAB oder Home Assistant) verlangt nach einer Einrichtung. Alle Geräte müssen sich zudem im selben Netzwerk befinden, damit die Server erreichbar sind. Um etwa Open HAB zu installieren, können Sie es mit der Ansage probieren ("Hey Mycroft, install openhab") oder auch via Terminal Zugang zum System bekommen (dann mit "msm install openhab"). Wie auch immer Sie es drehen und wenden: Der Mehraufwand im Vergleich zu Alexa ist erheblich.
Der wahrscheinlich größte Unterschied liegt jedoch darin, dass von Haus aus keine deutsche Sprache verfügbar ist. Möchten Sie mit dem Raspberry Pi und Picroft auf Deutsch kommunizieren, müssen Sie wieder einmal viel basteln. Dazu kommt, dass die Entwickler betonen, dass es sich bei allen Sprachversionen außer Englisch um experimentelle Features handelt, die in der Praxis durchaus fehleranfällig sind. Selbst dann, wenn Picroft in deutscher Sprache angelegt ist, heißt das noch lange nicht, dass auch alle angelernten Skills für die Spracheingabe ebenfalls auf Deutsch funktionieren.
Falls Sie es testen möchten, können Sie unter https://mycroft.ai/documentation/language-support/german die Anleitung für die Sprachumstellung finden und befolgen. Dort lernen Sie, wie Sie ein neues "Aufwach-Wort" für die Kommunikation anlegen und dann auch das deutsche Sprachmodell übertragen und richtig konfigurieren. Vorwarnung: Der Aufwand ist erheblich! Als Belohnung bekommen Sie dann aber einen smarten Lautsprecher, der flexibel einsetzbar ist und keine Daten sammelt. Ob Ihnen die Unabhängigkeit von großen Unternehmen den Mehraufwand wert ist, müssen Sie natürlich selbst entscheiden - so wie auch jeder andere Nutzer.