ADHS bei Frauen: Besser spät als nie erkennen und behandeln
![Frauen mit ADHS wenden oft viel Energie auf, um nicht aufzufallen. Das kostet Kraft.](/binaries/_ht_1719785342825/medium/content/gallery/freenet/lifestyle/gesundheit/2024/07/01/pictures/frauen-mit-adhs-wenden-oft-viel-energie-auf-um-nicht-au.jpeg)
Neue Perspektiven auf ADHS und ADS bei Frauen
München – ADHS und ADS, also die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und die Aufmerksamkeitsdefizitstörung, sind laut Astrid Neuy-Lobkowicz kein Zeichen von Minderwertigkeit, sondern schlichtweg eine Variante menschlicher Existenz. Die Münchner Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie hebt hervor, dass die Betroffenen sich einfach von anderen unterscheiden und nicht schlechter gestellt sind. Besonders bei Frauen bleibt die neurobiologische Störung oft unerkannt. Kinderärztinnen und -ärzte diagnostizieren ADHS bei Jungen viermal so oft wie bei Mädchen, obgleich die Störung bei beiden Geschlechtern gleich verbreitet ist, erklärt Neuy-Lobkowicz, die auch eine Fachbuchautorin zum Thema „Weibliche AD(H)S“ ist. Mädchen, die an der Störung leiden, zeigen sich oft zurückhaltender und träumerischer, was zur Folge hat, dass sie weniger auffallen.
Vorurteile beeinflussen Diagnostik
Ein Vorurteil, so der Psychosomatiker Matthias Rudolph, spielt bei der diagnostischen Diskrepanz eine Rolle: Therapeuten assoziieren AD(H)S zu häufig mit dem hyperaktiven Verhalten von Jungen. Dabei weisen Frauen ebenso oft den impulsiv-hyperaktiven Typus auf, was ihnen die Stigmatisierung als Wildfang und die Ungerechtigkeit geschlechtsnormativer Erwartungen einbringt. Die Ausprägung der AD(H)S kann sich im Lauf des Lebens ändern, formuliert Neuy-Lobkowicz in ihrem Werk. Mädchen mit ADS könnten im Jugendalter hyperaktive Merkmale entwickeln und umgekehrt, wobei die Gründe dafür bislang unklar sind.
Diagnostische Herausforderungen
Frauen mit ADHS fallen möglicherweise in der Schule nicht aufgrund ihrer Unauffälligkeit auf, was es in der Diagnostik erschweren kann. Schulzeugnisse liefern oftmals keinen Hinweis, und Elternberichte sind nicht immer aufschlussreich, was eine tiefergehende Exploration erforderlich macht, um die Diagnose zu sichern.
AD(H)S bleibt bei Frauen häufig unerkannt, was später in ihrem Leben zu Angststörungen oder Depressionen führen kann. In späteren Jahren, sogar nach der Menopause, wird ADHS oft erst offensichtlich, wenn Konzentrationsprobleme und das Gefühl, dem Leben nicht mehr gewachsen zu sein, zu psychischen Untersuchungen führen. Die Diagnosestellung kann durch Fachkräfte wie Neurologen, Psychiater oder psychologische Psychotherapeuten erfolgen und beinhaltet einen standardisierten Fragebogen sowie eine Untersuchung der Symptome seit der Kindheit.
Therapieansätze
Ein umfassender Behandlungsansatz bei AD(H)S kombiniert medizinische, verhaltenstherapeutische sowie unterstützende Therapien wie Ergotherapie und Sport. Es ist zudem empfehlenswert, dass Angehörige sich mit der Störung auseinandersetzen, um Fehlinterpretationen im Verhalten der Betroffenen zu vermeiden und eine effektive Unterstützung leisten zu können.
Kommunikation und Unterstützung im Alltag
Neuy-Lobkowicz, die selbst AD(H)S hat, schlägt vor, in Partnerschaften bei Konflikten Pausen einzulegen, anstatt hitzige Debatten zu führen. Rudolph rät zu klarer und knapper Kommunikation und empfiehlt eine reizarme Umgebung für bedeutsame Gespräche, um den Bedürfnissen von AD(H)S-Patienten entgegenzukommen.