Nackt und cool: 381 Berliner zeigen sich hüllenlos in ihrer Wohnung

18 Monate lang wanderte in Berlin eine Kamera von Wohnung zu Wohnung und fremde Menschen machten Aktfotos voneinander. Das Ziel: Einblicke in das eigene Leben geben und miteinander ins Gespräch kommen. Die Aufnahmen des ungewöhnlichen Projekts "Daily Portrait Berlin" wurden in einem Buch gesammelt.
Nackte Kunst
Es gibt Situationen, die wirken erst einmal unwahrscheinlich. Zum Beispiel die, in der eines Tages ein wildfremder Mensch vor der Tür steht, man ihn freundlich hineinbittet – und dann aus den Klamotten schlüpft, um sich nackt fotografieren zu lassen.
Bevor Sie an eine skurrile Film-Szene glauben, sollten Sie die Zahl 381 und die originelle Idee hinter der Foto-Session kennen. 381, das ist die beachtliche Anzahl an nackten Berlinern und Berlinerinnen, die jetzt in einem Bildband zu sehen sind.
Hier geht es direkt zur Bildershow mit den ungewöhnlichen Nackt-Begegnungen.
Ausgezogen haben sie alle sich für das Projekt „Daily Portrait Berlin“, bei dem rund 18 Monate lang eine Digitalkamera in der Hauptstadt von einem Menschen zum nächsten weitergegeben wurde. An einem Tag selbst die Hüllen fallen lassen, am nächsten bei einer fremden Person auf den Auslöser drücken, die wiederum am übernächsten zum Fotografen wird. Und immer so weiter. Täglich ging ein Nacktbild online.
Aktaufnahmen, die Fremde miteinander ins Gespräch bringen
Ins Leben gerufen wurde „Daily Portrait Berlin“ von dem tschechischen Fotokünstler Martin Gabriel Pavel. Für das via Crowdfunding-Kampagne finanzierte Buch hat er sich mit dem Fotografen und Designer Marek Kučera zusammen getan. Ursprünglich wollte Pavel in Berlin wie schon bei zuvor gestarteten täglichen Foto-Serien in seiner Heimat Prag selbst auf den Auslöser drücken.
Erst nachdem er 2015 in einer Prager Bar seine Kamera verlor, hatte er die zündende Idee, selbst nur das erste Laien-Modell zu fotografieren. Danach drückten ausschließlich die Teilnehmer auf den Auslöser. Wer dabei auf wen traf, legte Pavel per Zufallsprinzip fest. Letztlich galt: Wenn zwei Leute Zeit hatten, arrangierte er einen Termin.
Soziale Plastik
Wahrscheinlich hätte sich Martin Gabriel Pavel zumindest in Deutschland keine bessere Stadt für die Idee aussuchen können. Wo sonst sind die Menschen so offen und vielseitig wie in Berlin? Wo sonst ist Nacktheit so selbstverständlich? Doch auch wenn die Beteiligten sich für die Fotos ausgezogen haben, will das Projekt viel mehr als Aktaufnahmen sammeln.
Bei „Daily Portrait“ geht es um Begegnungen. Darum, mit Fremden ins Gespräch zu kommen. Und darum, etwas von sich selbst preiszugeben. Immerhin zeigen sich die Laien-Modells in ihrer ganz privaten Umgebung und die ist mitunter sehr viel intimer und auch aufschlussreicher als nackte Haut.
Keine Schönheitsideale, sondern pure Vielfalt
Wer durch den Bildband zu „Daily Portrait Berlin“ blättert, erkennt schnell, wo die Stärke des Projekts liegt: Es ist ein wunderbares Kaleidoskop. Weil es zeigt, wie einzigartig jeder Mensch ist, erst recht, wenn er sich nackt zeigt: Mit und ohne Tattoos, sportlich oder mit ein paar Pfunden mehr, alt oder jung, knabenhaft oder üppig. Jeder ist anders und anders sein ist gut.
Es geht nicht um Schönheitsideale, sondern um Vielfalt. Auch bei den Persönlichkeiten, denn die nackten Berliner strahlen mal voller Lebenslust, mal blicken sie verhuscht in die Kamera. Mal stehen sie nackt am Kühlschrank der picobello aufgeräumten Altbauküche, dann wieder barfuß im Chaos. Sie spielen hüllenlos Klarinette oder betten sich unter Geweihen.
Spannend anzusehen sind diese sehr persönlichen Bildergeschichten allemal. Nettes Detail am Rande: Bevor Initiator Martin Gabriel Pavel seine Kamera zurückbekam, ließ er es sich nicht nehmen, das letzte Nacktmodell der Serie zu sein.