Die Päpstin - Fakt oder Fiktion?

Der Film "Die Päpstin" ist im Augenblick in aller Munde. Positive Kritiken scheinen der Geschichte von Donna W. Cross hohe Authentizität zu bescheinigen. Doch was ist dran an der Geschichte um "Päpstin Johanna"?
Bei Päpstin Johanna (auch Johannes Anglicus) handelt es sich nach einhelliger Forschermeinung um den Stoff von Legenden. Von allen seriösen Historikern wird die Päpstin Johanna als rein fiktive Gestalt eingestuft. Doch wie kam es zur Legende von der Frau auf dem Stuhl Petri?
Ursprung der Legende
Die Legende um die Päpstin Johanna ist seit dem 13. Jahrhundert überliefert. Die ursprünglichen Formen der Sage berichteten von einer namenlosen Päpstin, die gegen Ende des 11. Jahrhunderts amtiert haben soll. Der mittelalterliche Chronist Martin von Troppau verlegt diese Legende 1277 schließlich in das 9. Jahrhundert und dichtete Schwangerschaft und Niederkunft der Päpstin dazu. Ursprüngliche Quellen der Legende, die auf eine Zeit vor dem 13. Jahrhundert datiert werden können, existieren nicht.
Lange Zeit wurde die Legende auch von den Päpsten für echt gehalten. Erste ernsthafte Zweifel am Wahrheitsgehalt der Berichte finden sich bei David Blondel im 17. Jahrhundert. Die Wissenschaft ist sich heute einig, dass die Legende keinen historischen Kern enthält.
Hypothesen
Zahlreiche Theorien versuchen, die Entstehung der Legende um die Päpstin zu erklären.
Eine Theorie sieht die Geschichte der Päpstin Johanna als Legende, die ihren wahren Kern im Bezug zur Familie der Theophylakten hat, genauer im Bezug zu Marozia, der Mutter von Papst Johannes XI., und ihrer Mutter Theodora, die in weniger als einem Jahrzehnt acht Päpste auf den Thron und wieder zu Fall brachten und somit die wahre Macht hinter dem päpstlichen Thron darstellten. Dieser Zeitraum wird in den Geschichtsbüchern pikanter Weise noch heute als "Herrschaft der Huren", als Pornokratie bezeichnet.
Der Historiker Cesare Baronio erklärt den Mythos als eine Satire auf Papst Johannes VIII. (Amtszeit: 872–882) wegen seiner Weichheit im Umgang mit dem Patriarchen von Konstantinopel Photios I.
Michael Hesemann, ebenfalls Historiker, führt die Entstehung der Legende um die Päpstin Johanna auf zwei Faktoren zurück. Einmal hieß die enge Gasse, die vom Lateran zum Vatikan führte, tatsächlich "vicus Papessa", wurde aber nach einer Adelsfamilie, den "Papes", benannt. Unter der Kirche San Clemente befindet sich dort tatsächlich ein einstiges Heiligtum des heidnischen Mithras-Kultes. Eine Weiheinschrift wird von den frühesten Quellen als Beleg für die Geschichte von der Päpstin genannt. Eingraviert steht fünf mal der Buchstabe "P". Übersetzt wurde dies als "Petre, Pater Patrum, Papisse Prodito Partum" ("Petrus, Vater der Väter, enthülle die Niederkunft des weiblichen Papstes"). Tatsächlich waren es jedoch zwei getrennte Buchstabengruppen, einmal aus drei "P"s, einmal aus zwei. Die erste Gruppe ("proprie pecunia posuit": „stellte die notwendigen Mittel zur Verfügung“) ist eine übliche antike Weiheinschrift. Die Doppel-"P" ("Pater Patrum") ein Hohepriester-Titel des Mithras-Kultes.
Papstnachfolge
Der offizielle Nachfolger von Papst Leo IV. war Benedikt III., von dem jedoch nur wenige belegte Informationen vorliegen. Einige vermuteten deshalb, dass Benedikt III. von der römisch-katholischen Kirche erfunden wurde, als im 17. Jahrhundert Päpstin Johanna aus der Geschichte getilgt worden sei. Jedoch gibt es Münzen, die Benedikt III. zusammen mit dem am 28. September 855 verstorbenen Kaiser Lothar zeigen. Am 7. Oktober 855 erließ Benedikt III. eine Charta für die Abtei Corvey, zudem ist seine Korrespondenz mit dem Erzbischof von Reims und sein Rundschreiben an die Bischöfe im Reich Karls des Kahlen erhalten.
Eine andere Theorie nimmt an, dass Päpstin Johanna zwischen Leo IV. und Benedikt III. den Heiligen Stuhl innehatte. Diese Theorie lässt sich nicht durch historische Belege bestätigen. Der byzantinische Patriarch Photios I., der ein Gegner des römischen Papsttums war, erwähnt in seinen Schriften Leo und Benedikt als aufeinander folgende Päpste. Es findet sich auch dort, bei aller Kritik am römischen Papsttum, kein Hinweis auf eine Päpstin.
Päpstin Johanna wird in verschiedenen historischen, aber auch unzuverlässigen, Quellen erwähnt, bis ins 17. Jahrhundert auch in kirchlichen Quellen.
Eine der am häufigsten genannten Quellen ist der Liber Pontificalis des früheren Gegenpapsts Anastasius Bibliothecarius, der ein Zeitgenosse der Päpstin gewesen wäre. Jedoch findet sich die Angabe lediglich in einem Manuskript, das sich in der vatikanischen Bibliothek befindet.
Die Bemerkung zur Päpstin ist jedoch von einem späteren Schreiber als Fußnote nachgetragen worden. Dieser Nachtrag wird auf das 13. Jahrhundert datiert und dürfte unter dem Einfluss der falschen Chronik Martins von Troppau entstanden sein. Gleiches gilt für die Manuskripte des Chronicon des Marianus Scotus. Während das Werk selbst im 11. Jahrhundert entstanden ist, werden alle Manuskripte, die einen Verweis auf eine Päpstin enthalten, auf ein späteres Datum als Martins Chronik datiert. Frühere Abschriften von Scotius′ Werk enthalten diese Hinweise nicht.
Fazit:
Die schöne Geschichte der "Päpstin Johanna" ist genau das. Eine schöne Geschichte. Zeitgenössische Quellen zu einem weiblichen Stellvertreter Gottes auf Erden fehlen vollständig, auch wenn sich die Legende seit Jahrhunderten hält. Verschwörungstheorien, gerne angeführt als vermeintlicher Beweis, lassen sich ebenso nicht auf Tatsachen zurückführen.
Information: "Die Päpstin" von Sönke Wortmann läuft seit dem 22.10.2009 im Kino