Craig Mazin und Neil Druckmann im Interview: Liebe ist das Letzte, was bleibt

Mit "The Last of Us" setzten sie neue Maßstäbe für Videospieladaptionen - nun melden sich Craig Mazin ("Chernobyl") und Neil Druckmann vom Entwicklerstudio Naughty Dog mit einer zweiten Staffel zurück, die radikal, moralisch ambivalent und bildgewaltig ist. Im Interview mit der Agentur teleschau sprechen die Showrunner über narrative Entscheidungen, emotionale Grenzverschiebungen - und darüber, warum Empathie diesmal anders funktioniert.
In der zweiten Staffel von "The Last of Us" (zu sehen bei Sky und WOW) werden Liebe, Rache und Vergebung noch konsequenter durchlebt - oft aus Perspektiven, mit denen niemand rechnet. Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Kult-Videospiel und erzählt die Geschichte einer postapokalyptischen Welt, in der ein parasitärer Pilz Abermillionen Menschen befallen hat und Menschlichkeit zur gefährlichsten Währung wird.
"Wir sind wahnsinnig stolz"
teleschau: Wie hat es sich angefühlt, wieder zurück zu sein - in dieser Welt, mit dieser Geschichte, mit dieser Wucht?
Craig Mazin: Es war fantastisch. Wir haben unglaublich hart gearbeitet - ich glaube, fast zwei Jahre lang. Denn wir machten ja keine echte Pause. Staffel eins endet, und wir fingen direkt an, Staffel zwei zu schreiben. Dann Vorbereitung, Dreh, Postproduktion. Es war großartig, sich daran zu erinnern, dass all das auch irgendwann jemand sieht. Wir waren einfach extrem gespannt darauf, den Menschen zu zeigen, woran wir gearbeitet haben - wir sind wahnsinnig stolz. Vor allem auf das, was unser Team geleistet hat - sie sind einfach... großartig.
teleschau: Gab es diesen einen Moment, bei dem ihr innerlich wusstet: "Das ist es. Das wird noch größer, noch intensiver als Staffel eins"?
Neil Druckmann: Jemand hatte mich damals kurz vor der Premiere gefragt, ob ich aufgeregt sei - und ich meinte nur: So weit denke ich gar nicht. Erst müssen wir das Ding fertigkriegen, dann kann ich über Premieren nachdenken. Aber kurz davor wurde es real. Man konnte sich plötzlich vorstellen, wie Menschen die Serie sehen, sich austauschen, darüber reden. Und wie Craig schon sagte: Nicht nur wir zwei, sondern auch unser ganzes Team hat alles gegeben. Die Sets, die Prothesen, die visuellen Effekte - nonstop VFX. Wir haben wirklich eine wilde Staffel abgeliefert.
teleschau: Im Spiel treffen Gamer auf Abby und steuern sie, ohne zu Beginn etwas über ihre Vergangenheit zu wissen. Es ist überraschend, dass die Serie schon in der Premiere Abbys Verbindung zu den Fireflies in Salt Lake City so deutlich macht. Warum war euch diese frühe Klarheit als Einstiegspunkt für die Staffel wichtig?
Neil Druckmann: Es gibt zwei Hauptgründe, warum wir bestimmte Kontexte verändern oder zeitlich vorziehen. Im Spiel beginnst du irgendwann damit, Abby zu spielen. Du überlebst als sie, rennst durch den Schnee, kämpfst gegen Infizierte. Allein dadurch entsteht sofort eine emotionale Verbindung.
teleschau: Also durch das aktive Spielen entsteht automatisch Empathie - und in der Serie fehlt genau dieses Mitgefühl durch Handlung?
Neil Druckmann: Genau. Im Spiel kannst du Informationen länger zurückhalten, weil das Erlebnis so direkt ist. In der Serie brauchst du andere Mittel, um emotionale Tiefe herzustellen - und genau dafür gibt der Kontext in der Premiere uns eine Art Abkürzung. Etwas Ähnliches hatten wir ja schon in Staffel eins: Im Spiel startest du als Sarah, du bist mitten im Ausbruch, und du spürst sofort eine Verbindung. In der Serie mussten wir viel mehr aufbauen, damit das auch so funktioniert. Der zweite Grund ist der Zeitpunkt der Enthüllung. Wenn wir uns an die Timeline des Spiels gehalten hätten, hätte es sehr lange gedauert, bis das Publikum diesen Hintergrund bekommt. Wahrscheinlich hätte sich das bis dahin längst rumgesprochen oder jemand hätte es gespoilert - und das wollten wir vermeiden. Deshalb fühlte es sich richtig an, das gleich zu Beginn zu zeigen.
"Das hat mich wirklich umgehauen"
teleschau: Jetzt, wo die zweite Staffel bereits läuft - gab es eine Szene, auf die Sie sich bei der Adaption ganz besonders gefreut habt? Hat sich Ihr Liebling vielleicht sogar verändert, nachdem Sie sie gedreht und fertig auf dem Bildschirm gesehen haben?
Craig Mazin: Ich hole da gleich mal Bella mit ins Boot. Es gibt da eine Szene - ich verrate nicht, welche - im Finale der Staffel. Wir können gerne später noch einmal darüber sprechen, wenn sie ausgestrahlt wurde (lacht). Im Spiel war sie schon kraftvoll, aber was daraus geworden ist, als wir sie verfilmt haben, hat mich wirklich umgehauen. Diese Entwicklung - vom Game zur Serie - das sind genau die Momente, für die wir das machen.
teleschau: Hat Sie dabei vor allem die emotionale Wirkung überrascht - oder war es auch filmisch eine neue Dimension?
Craig Mazin: Beides. Aber emotional war's richtig intensiv. Und dann gibt's da noch diese Szene - kein Spoiler, sie ist im Trailer: Pedro und Bella vor der Raumkapsel im Museum. Das war das erste, was Neil mir damals aus 'The Last of Us Part II' gezeigt hat. Eine so schöne, stille Szene. Und zu sehen, wie Pedro und Bella das mit Leben gefüllt haben - das war einfach großartig. (lacht)
Können Sie ein bisschen mehr verraten? Gibt es wieder so einen besonderen Moment wie bei Bill und Frank?
Craig Mazin: Eines, worüber Neil und ich ganz früh gesprochen haben, war: Wir wollten nicht einfach sagen, "Hey, die Folge mit Bill und Frank kam gut an - machen wir wieder so eine 'besonders emotionale Spezialfolge' in Staffel zwei." Es musste sich natürlich ergeben. Es durfte nicht forciert wirken. Aber ich kann sagen: Es gibt in dieser Staffel eine wunderschöne Episode, die Neil selbst inszeniert hat. Sie ist anders - nicht wie Bill und Frank - aber sie steht absolut für sich. Und sie musste genau so erzählt werden. Das wird euch umhauen!
teleschau: Ist das wieder so ein Moment, bei dem sich alles entschleunigt - wo es nicht um Action, sondern um Menschlichkeit geht?
Neil Druckmann: Es gibt in dieser Staffel viele solcher Momente. Eigentlich hat jede Folge kleine Augenblicke, die genau das tun - wo sich das Große ins Persönliche verlagert. Und gerade dadurch bleibt es emotional so kraftvoll.
teleschau: Gab es eine Szene, in der der Cast oder das Regieteam etwas am Drehbuch verändert hat - und es dadurch sogar noch besser wurde?
Craig Mazin: Das war wirklich beeindruckend. Alle am Set sind normalerweise sehr respektvoll gegenüber dem, was wir schreiben - aber wir wiederum sind auch respektvoll gegenüber ihnen. Manchmal sagt die Regie dann: "Brauchen wir diese Zeile wirklich?" Und ich sage: "Hm, vielleicht nicht." Und dann kommt Pedro rüber und sagt: "Darf ich kurz das Drehbuch verteidigen?" Und ich [legt sich die Hand aufs Herz]: "Oh mein Gott, danke!" Für mich als Autor ist das einfach wunderschön.
teleschau: Wenn Sie Staffel zwei in einem einzigen Wort - oder, wenn Sie möchten, in einem Satz - beschreiben müssten?
Neil Druckmann: Liebe.
Craig Mazin: Wunderschön.