Diese Ostbands regieren die Charts

Ostrock - bei dem Begriff denkt man an Bands wie Karat, City oder Silly. Über 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung zeigt sich: "Ostrock" gibt es nicht mehr, Künstler aus der ehemaligen DDR sind längst selbstverständlicher Teil der deutschsprachigen Rock-, Pop- und HipHop-Szene. Zur Veröffentlichung des 15. Studioalbums von Karat (Bild) am 21. Februar präsentieren wir Ostbands, die Musikgeschichte schrieben.

Am 22. Februar 1975 gab die Band in der Nähe von Dresden ihr allererstes Konzert: Karat gibt es nun schon seit 50 Jahren und die Gruppe denkt noch nicht ans Aufhören. Anlässlich ihres Jubiläums präsentiert die Band nun ihr neues Album "Hohe Himmel" - es ist der insgesamt 15. Langspieler der Gruppe. Von der "alten" Besetzung ist heute aber nur noch ein Mitglied dabei: Gittarist Bernd Römer (vierter von links).

Wer von Karat spricht, nennt im selben Atemzug auch die beiden anderen großen DDR-Bands: Puhdys und City. Als "Rock Legenden" gingen die drei Bands 2015 gemeinsam auf Tour, auch ein gemeinsames Livealbum ist zu haben. Weil die Konzertreihe so erfolgreich war, wurde sie 2016 fortgesetzt.

Da wird mancher Fan eine Träne verdrückt haben: Die Puhdys (im Bild: Sänger Dieter "Maschine" Birr) lösten sich 2016 nach einem letzten Konzert in Berlin auf.

Nach 50 Jahren Bandgeschichte kündigten auch City 2022 ihren Abschied an: Mit "Die letzte Runde" erschien ein offizielles Abschiedsalbum, es folgte eine letzte Tournee. Ob es das wirklich war? Geiger Georgi Gogow (rechts) erklärte nach dem letzten Konzert, dass es die Band weiterhin gebe. Ob City nach dem Tod von Gitarrist Fritz Puppel (zweiter von links) im Februar 2024 noch einmal zurückkehren, darf bezweifelt werden.

Die neuen Bundesländer gelten als Hochburgen der Metal-Musik. Gerade die Fraktion des Mittelalter-Metal feiert von Erfurt bis Stralsund große Erfolge. Die Hauptakteure dieses Genres sind In Extremo. Die Erfolge der Band sprechen für sich: In Deutschland können die Berliner vier Nummer-eins-Alben vorweisen. Doch auch international sind die Mittelalter-Rocker erfolgreich - insbesondere in Osteuropa.

Hauptverantwortlich für diesen Erfolg ist wohl Frontmann "Das Letzte Einhorn". Der Sänger und Flötenspieler Michael Robert Rhein (Bild) wurde im thüringischen Dingelstädt geboren und wuchs in der Region auf. Mit seinen Vorwende-Bands Nr. 13 und Einschlag handelte er sich in der ehemaligen DDR Spielverbote ein. Seine Texte entsprachen nicht den Vorstellungen der Staatsführung.

Als Silly-Frontfrau Tamara Danz 1996 an den Folgen einer Brustkrebs-Erkrankung starb, verlor die deutschsprachige Musik eine ihrer außergewöhnlichsten Sängerinnen. Mit "Bataillon d'Amour" landeten Silly 1986 einen internationalen Hit, der später unter anderem von Joachim Witt gecovert wurde.

Zehn Jahre dauerte es, bis die Band einen Ersatz für Danz fand - eine Frau, die vor allem aus dem Fernsehen bekannt ist: Anna Loos (zweite von links) hielt von 2006 bis 2018 das Mikrofon von Silly in der Hand. Mit ihrem Bekanntheitsgrad machte die heute 54-Jährige aus der alten Ost-Band einen gesamtdeutschen Chartstürmer. Seit 2023 ist Toni Krahl Sänger der Band.

Was soll man zu Rammstein noch viel erzählen? Die stets streitbare Truppe mit den scheinbar einfachen Botschaften ist Kult. In den USA und in Russland, aber auch in Argentinien wurden Rammstein bereits mit Platin ausgezeichnet. Das wäre zu DDR-Zeiten - die Mitglieder kommen aus Ost-Berlin, Leipzig, Schwerin und Wittenberge - wohl nicht möglich gewesen.

Vor allem mit ihren aufregenden Pyro-Shows machten Rammstein sich einen Namen. Die düsteren Texte von Frontmann Till Lindemann (vorne), sein rollendes R und die harten Klänge rücken bei den Live-Ereignissen der Band beinahe in den Hintergrund.

Sie waren eine der ersten Ostbands, die nach der Wende in Gesamtdeutschland Erfolge feierten: Die Prinzen. Die A-cappella-Truppe aus Leipzig stürmte bereits 1991 mit dem Album "Das Leben ist grausam" die deutschen Charts. "Gabi und Klaus", "Millionär" und "Mann in Mond" waren ihre ersten Hits.

Die stets sympathisch auftretende Gruppe um Tenor Sebastian Krumbiegel (links) und Bariton Tobias Künzel (rechts) veröffentlichte 2021 ihr aktuelles Album "Krone der Schöpfung". Krumbiegel sorgte zuletzt aber auch solo für Aufsehen, vor allem mit dem politisch engagierten Song "Die Demokratie ist weiblich".

"Mondänpop" nannte man Rosenstolz' Mischung aus Pop und Chanson. Zwischen 1991 und 2012 verkauften AnNa R. (aus Berlin-Friedrichshain) und Peter Plate (in Hamburg aufgewachsen) Tonträger im siebenstelligen Bereich. Den Durchbruch schafften die beiden 1999 mit dem Album "Zucker". 13 Jahre und Dutzende Goldene Schallplatten später erklärten die beiden das Ende der Band.

2012 gründete AnNa R. (Mitte) die Band Gleis 8, die bislang zwei Alben veröffentlichte (zuletzt "Endlich", 2016). Peter Plate brachte 2013 ein Soloalbum auf den Markt. Für das Musical "Ku'damm 56" nahmen AnNa R. und Plate den gemeinsamen Song "Ich tanz allein" auf - ein "echtes" Rosenstolz-Comeback sei derzeit aber kein Thema, wie sie unlängst erklärten.

Erst Rapper, nun Singer/Songwriter: Clueso hat in seiner Karriere vieles ausprobiert. Mit seinen Liedermacher-Songs stellte sich 2006 der Erfolg ein. 2014 erreichte der Erfurter mit "Stadtrandlichter" seine erste Nummer-eins-Platzierung in den deutschen Albumcharts.

Clueso, bürgerlich Thomas Hübner, gilt als Musiker, der auf dem Boden geblieben ist. Sein bislang letzter Langspieler "Album" kam im Herbst 2021 auf den Markt. Außerdem war Clueso im Fanta-4-Hit "Zusammen" zu hören. Ein ganz aktuelles Projekt: Clueso ist in der 13. Staffel von "The Voice Kids" (ab 21. Februar, SAT.1) als Coach zu sehen.

Ebenfalls dafür bekannt, ihrer Heimatstadt die Treue zu halten, sind Kraftklub. Die Chemnitzer machen keinen Hehl daraus, "Ossis" zu sein. Warum auch? Mit ihrer Mixtur aus Rap und Indiegitarren treffen Kraftklub seit 2012 den Zeitgeist. Vier Alben erschienen bisher, alle vier erreichten in Deutschland Platz eins der Charts. Chapeau!

"Ich komm aus Karl-Marx-Stadt / Bin ein Verlierer, Baby / Original Ostler", singen Kraftklub stolz. In ihrer sächsischen Heimatstadt wollen die fünf Musiker etwas bewegen: Ihr Einsatz für Jugendklubs und gegen rechte Krawallmacher ist bei ihnen genauso selbstverständlich wie laute Gitarrenriff.

Nach den großen Erfolgen mit Kraftklub veröffentlichte Felix Brummer unter seinem eigentlichen Nachnamen Kummer 2019 sein erstes Soloalbum, das eher nach HipHop als nach Indierock klingt. "Kiox" landete auf Anhieb auf Chartplatz eins.

2005 ging ein "Schrei" durch Deutschland! Tokio Hotel eroberten die Tennie-Herzen der Republik und bald auch die der USA bis hin nach Neuseeland. Das seit 2001 zusammen auftretende Quartett um Sänger Bill Kaulitz (zweiter von links) und Zwillingsbruder Tom (dritter von links) stammt aus Magdeburg. Die Frontmänner wuchsen allerdings in Leipzig auf.

Bill (links) und Tom (rechts) wurden am 1. September 1989 geboren, also kurz vor dem Mauerfall. Schlagzeuger Gustav Schäfer ist ein Jahr, Basser Georg Listing zwei Jahre älter. Auch jenseits des Teenie-Alters veröffentlichen Tokio Hotel noch regelmäßig Musik, an die großen Erfolge von früher konnten sie zuletzt aber nicht mehr anknüpfen.

Silbermond gehören zu den erfolgreichsten deutschen Bands mit Frontfrau. Langspieler Nummer sieben, "Auf auf", erschien 2023. Los ging es für die Bautzener um Sängerin Stefanie Kloß 2004. 1Live-Kronen, Bravo Ottos, Cometen und sage und schreibe sieben Echos stehen inzwischen im Trophäenschrank.

Mit gefühlvollen Texten und unaufgeregten Pop-Rock-Klängen erreichen die Sachsen ein breites Publikum. Nicht selten verirren sich auch Metalfans auf die Konzerte des gerne schwarzgekleideten Vierers. Dessen größte Hits sind allerdings Balladen wie "Symphonie", "Unendlich", "Durch die Nacht" und "Das Beste".

Mit ihren Elektropop-Klängen gehören MiA. zu den deutschen Anschiebern einer seit Jahren anhaltenden Synthie-Pop-Welle. Die charismatische Sängerin Mieze Katz, aufgewachsen als Maria Mummert in Ostberlin, ist das Gesicht der Band.

Mit den Alben "Stille Post" (2004) und "Zirkus" (2006) erreichten MiA. Goldstatus. Die Single "Tanz der Moleküle" hielt sich 2006 ganze 36 Wochen in den Top 100 auf. Im Mai 2015 veröffentlichte das kunstaffine Quintett sein sechstes Album "Biste Mode". Der langersehnte Nachfolger, "Limbo", erschien im März 2020. Zuletzt trat Frontfrau Mieze Katz auch verstärkt als Solo-Künstlerin in Erscheinung.

Ebenfalls in Ostberlin kam 1980 Sido zur Welt. Aufgewachsen im Stadtteil Prenzlauer Berg wanderte Paul Hartmut Würdig mit Schwester und Mutter bereits 1988 in den Westen aus. Bald war das Märkische Viertel seine Heimat - bekanntlich ein Grund dafür, dass Sido 2004 einiges zu erzählen hatte vom Leben im Lied "Mein Block".

Inzwischen gibt der ehemalige Maskenträger sich sehr geerdet. Sido machte deutschen Gangsta-Rap massentauglich, vor allem half ihm dabei eine gehörige Portion Selbstironie und Witz. Im Dezember 2022 erschien sein aktuelles Album "Paul" (Platz eins in den Charts).

Ein Name, der für Techno steht: Die Gebrüder Kalkbrenner wuchsen in Ostberlin auf. Der ältere, Paul (im Bild), ist der bekanntere der beiden. Auch und vor allem wegen seiner Kinorolle als "Ickarus" im Erfolgsfilm "Berlin Calling" (2008).

Fritz Kalkbrenner, der vier Jahre jüngere Bruder, hat zwar noch kein Nummer-eins-Album wie Paul ("7", 2015) vorzuweisen. Er gilt aber als nicht weniger versiert, wenn es darum geht, Menschenmassen zum Tanzen zu bewegen. Fritz betätigt sich auch als Kultur- und Musikjournalist für diverse Fernseh- und Radiosender.

Schon etwas länger bekannt als die Kalkbrenners ist der Eisenhüttenstädter Matthias Paul, berühmt als Paul van Dyk. Der 53-Jährige gilt als einer der erfolgreichsten Trance- und Elektro-DJs der Welt, Auftritte rund um den Erdball gehören zu seinem Tagesgeschäft.

Mit Remixen für Künstler wie Justin Timberlake und U2 machte sich Paul van Dyk einen Namen. Der Durchbruch gelang 1998 mit der Single "For An Angel". Für Schlagzeilen sorgte Paul van Dyk auch mit einem Bühnenunfall 2016, bei dem er sich einen Bruch der Wirbelsäule sowie ein Schädel-Hirn-Trauma zuzog.

Marten Laciny war bereits Jugend-Fußballnationalspieler, Model und Schauspielschüler. Doch erst als Rapper fand der Rostocker seine Bestimmung. Marteria, so sein Künstlername, zog zwischenzeitlich nach Berlin, um von dort aus die Szene aufzumischen. Gemeinsam mit den Toten Hosen veröffentlichte er erst die Doppel-Single "Scheiss Wessis"/"Scheiss Ossis".

Mit seinem Alter Ego Marsimoto feiert der 42-Jährige auch als grüner Dauerkiffer Erfolge - mit gepitchter Stimme und auf teils aberwitzigen Beatkonstruktionen. "Keine Intelligenz", das aktuelle Marsimoto-Werk, erschien 2023. Im April 2024 veröffentlichte Laciny als Marteria das aktuelle Album "Keine Intelligenz", das Platz drei der deutschem Album-charts erreichte.

Nein, Jennifer Rostock stammen nicht aus der mecklenburgischen Großstadt, die sie im Bandnamen zitieren, sondern von der Insel Usedom. Allerdings bewiesen sie immer wieder, dass die Herkunft längst keine große Rolle mehr spielt. Ebenfalls nach Berlin umgesiedelt, feierte das Quintett seit 2008 zahlreiche Charterfolge.

Trotz der vielen Tattoos und der Punkattitüde, gerade von Frontfrau Jennifer Weist (zweite von links), ist die Musik von Jennifer Rostock eher dem Poprock zuzuordnen. Auch Elemente der Neuen Deutschen Welle spielen immer wieder eine Rolle bei den Norddeutschen. 2017 verabschiedeten sich Jennifer Rostock in eine Kreativpause. 2022 meldete sich Jennifer Weist als Yaenniver mit dem Soloalbum "Nackt" zurück, das bis auf Platz drei in den Charts kletterte.

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