Sven Martinek: "Es war Zeit für eine Veränderung"

Beinahe hätte Sven Martinek nach der Wende die Schauspielerei an den Nagel gehängt, um Taxifahrer zu werden. Zum Glück hielt er trotz jahrlanger Karriereflaute durch. Denn sonst hätten die Zuschauer viele tolle TV-Momente mit dem 61-Jährigen, der auf sympathisch-kantige Typen abonniert ist, verpasst. Zum Beispiel im ARD-Dauerbrenner "Morden im Norden", in dem er seit 2012 an der Seite von Ingo Naujoks ermittelt - mit fabelhaften Einschaltquoten. Oder auch seinen Auftritt auf dem "Traumschiff". In "Traumschiff: Miami" (am Ostersonntag, 20. April, 20.15 Uhr, ZDF) spielt Martinek einen Galeriebesitzer, der in die USA ausgewandert ist. "Es war mein erster Auftritt auf dem ,Traumschiff' und eine tolle Zeit", so der Schauspieler über die Dreharbeiten. Auch wenn der gebürtige Magdeburger zu den meistbeschäftigten Schauspielern des Landes zählt, hat er nun in seiner Wahlheimat Mallorca auch beruflich ein zweites Standbein, verrät er im Interview. Und das hat viel mit seiner veränderten Sicht auf das Leben zu tun. Außerdem spricht Sven Martinek über seinen Start im DDR-Fernsehen mit zarten zwölf Jahren, und er verrät, wie ein gewisser Dr. Grausam sein Verhältnis zum Tod prägte.
teleschau: Herr Martinek, es heißt, Sie haben bei Dreharbeiten immer Ihre Saftpresse und andere Küchengeräte dabei, um Ihren gesunden Lebensstil zu pflegen. Was umfasst das alles?
Martinek: Das umfasst im Grunde alles - Sport, die Ernährung. Es geht darum, ein Bewusstsein für seinen Körper, für sein Leben zu bekommen. Und je älter man wird, desto bewusster wird man sich über manche Dinge. Meine Freundin und ich trinken überhaupt keinen Alkohol mehr. Es gibt da diesen schönen Spruch: "Sagt die Seele zum Körper: Sag du es ihm. Auf mich hört er nicht." Ich beschäftige mich viel mit dem Thema Heilung, habe eine längere Coaching-Ausbildung hinter mir. Meine Freundin und ich konzentrieren uns dabei sehr aufs Paar-Coaching. Wir geben Menschen, die nicht mehr weiterkommen in ihrer Beziehung, Werkzeuge an die Hand.
teleschau: Haben all diese Veränderungen mit Ihrem Umzug nach Mallorca zu tun?
Martinek: Der Umzug nach Mallorca Ende 2023 war dabei ein ganz wichtiger Schritt, gesund lebe ich schon länger. Ich habe 49 Jahre in Berlin zugebracht. Es war mal Zeit für eine Veränderung. Mallorca ist eine magische Insel. Wir hatten uns verliebt, waren oft im Urlaub dort. Da war der Schritt gar nicht so weit zu sagen: Warum soll man nicht dort wohnen?
Als Kinderstar in der DDR: "Für mich war das eine großartige Zeit"
teleschau: Dennoch stehen Sie weiter regelmäßig in Deutschland vor der Kamera. Nächstes Jahr feiern Sie bereits 50-Jahre-Jubiläum. Wie wurden Sie als Kind entdeckt?
Martinek: Meine Cousine erfuhr von einer Laienspielgruppe, gegründet von einer Betreuerin des DDR-Kinderfernsehens. Die Idee dahinter war: Wie wäre es, wenn man den Kindern schon früh vermittelt, was dieser Beruf so beinhaltet? Kinder gehen ja relativ unbedarft vor die Kamera. Sie brachte uns jeden Montag in einer Schule die Grundlagen des Schauspielens bei. Wenn Rollen mit Kindern zu besetzen waren, kamen oft Regisseure und Regisseurinnen zu uns. So bekam ich meine erste Rolle.
teleschau: Mit zwölf waren Sie bereits Kinderstar in der DDR. Welche Erinnerungen haben Sie an damals?
Martinek: Für mich war das eine großartige Zeit. Ich hatte so Lust auf Spielen, in andere Rollen zu schlüpfen. Und bekam dann die Chance, Teil der Verfilmung eines der bekanntesten Jugendbücher zu sein. Das hieß "Das Mädchen und der Junge", eine ganz einfache, süße Liebesgeschichte. Dadurch wurde ich so eine Art Kinderstar. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass es im Grunde klar war, dass ich später zur Schauspielschule gehe.
"Ich hatte mich schon an der Taxischule angemeldet"
teleschau: Es lief auch in den Folgejahren erst mal bestens. Aber wie war es, nach der Wende beruflich wieder von vorne anzufangen?
Martinek: Erst mal gab es eine ziemliche Durststrecke. Man brauchte eine Agentur, war völlig neu auf einem Markt, den man noch gar nicht kannte. Es war eine lange Zeit, in der nichts passierte. Irgendwann kam ich zu dem Schluss: Okay, dann muss ich halt was anderes machen. Ich hatte mich schon an der Taxischule angemeldet. Aber dann kamen langsam wieder Angebote rein. Meine erste größere Geschichte war dann das "Großstadtrevier". Darauf folgten "Tatorte" und die Serie "Freunde wie wir". Im Zuge dessen wurde ich dann zu einem Casting für "Der Clown" eingeladen. Der Rest ist bekannt.
teleschau: Sie wurden dank der RTL-Serie 1996 schlagartig berühmt. Wobei an die Rolle Bedingungen geknüpft waren, oder?
Martinek: Ja, für die Rolle musste ich mich ordentlich fit machen. Drei Monate lang hatte man mir einen Trainer zur Seite gestellt, der knallhart mit mir trainierte. Von 100 Kilo nahm ich ab auf 85 Kilo. Das war für mich ein hartes Programm, aber auch selbstverständlich.
"Ich habe ein spezielles Verhältnis zum Tod"
teleschau: Danach ging es weiter steil bergauf, Sie haben an die 100 Rollen gespielt.
Martinek: Ich weiß nicht, ob es 100 Rollen waren. Aber es waren viele, darunter auch viele Serien wie "Tierärztin Dr. Mertens". Und dann kam "Morden im Norden", was wir jetzt schon seit 13 Jahren machen.
teleschau: Bei so vielen verschiedenen Rollen, die Sie gespielt haben, sind da noch Wünsche offen?
Martinek: Ich bin ein großer Westernfan. "Once upon a Time in the West" von Sergio Leone habe ich ungefähr 35- oder 40-mal gesehen. Dieses Archaische, diese Westernromantik hat mich schon immer gepackt. Wenn so etwas je auf mich zukommt, dann schlage ich wahrscheinlich sofort zu. Abgesehen davon hat das immer mit der Geschichte zu tun, ob sie mich berührt. Wenn ich mich mit einer Rolle identifizieren kann, bin ich dankbar.
teleschau: Dann wäre der Rechtsmediziner im "Tatort" die perfekte Rolle? Sie haben mal in einem Interview erzählt, dass Sie als Teenager Pathologe werden wollten ...
Martinek: Stimmt (lacht). Vor langer Zeit wollte ich Pathologe werden. Mein Vater hatte einen Freund namens Dr. Herbert Grausam. Er hieß wirklich so. Und der nahm mich relativ früh mit in die Pathologie. Da konnte ich mir das alles ansehen. Das Thema finde ich immer noch spannend. Ich habe ein spezielles Verhältnis zum Tod, seit jeher. Mich interessiert auch die Seele des Menschen. Was passiert mit uns? Wie gehen wir durchs Leben? Klar, Schauspieler ist mein Beruf. Aber ich bin hier, um zu lernen in dieser Welt.