Zweite "Andor"-Staffel: "Star Wars" für Erwachsene

Wer die Atmosphäre komplexer Agentenstoffe schätzt, wie sie früher von Autoren wie John le Carré erfolgreich unters Lesevolk gebracht wurden, ist nicht unbedingt "Star Wars"-Fan. Jedenfalls haben die Art der Spannung von Büchern und Verfilmungen wie "Dame, König, As, Spion" oder "Der Spion, der aus der Kälte kam" nicht unbedingt viel mit "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" gemein, um mal einen der anerkannt starken "Star Wars"-Filme im Vergleich zu nennen.
Bei le Carré geht es um Spionage, also um das Handwerk der Täuschung und Manipulation, auch des Versteckens oder plötzlichen Zuschlagens. Um komplexe Aufgaben, gerade wenn sie auf die Psyche von Menschen treffen, die normalerweise andere Bedürfnisse hegen. Und dann ist da: "Star Wars"! Eine bunte, bildgewaltige Abenteuerwelt, gezeichnet in schwarzen (böse) und weißen (gut) Farben. Dass beide Erzählwelten auf wundersame Art zusammenpassen, bewies Serienschöpfer Tony Gilroy Ende 2022 mit seinen ersten zwölf "Andor"-Folgen.
Immerhin acht Emmy-Nominierungen heimste die mit großem Abstand anspruchsvollste "Star Wars"-Serie ein. Schon damals war klar: Mit einer zweiten Staffel von wiederum zwölf Folgen würde die Serie abgeschlossen werden. Dies passiert nun ab Mittwoch, 23. April, bei Disney+. Der Streamingdienst zeigt eine neue "Andor"-Folge pro Woche.
Ist eigentlich "Andor" das neue "Game of Thrones"?
Im Zentrum des Geschehens steht Cassian Andor (Diego Luna) und seine Wandlung vom Kleinkriminellen zum Kämpfer für die Revolution. In "Andor", Staffel zwei, ist diese Wandlung schon weit fortgeschritten. Die Staffel endet an jenem Punkt - auch das wurde vorher schon verraten, an dem der Kinofilm "Rogue One: A Star Wars Story" (2016) einsetzt. Wir befinden uns also in der Zeit zu Beginn der Revolution gegen das Imperium, welche die Erzählungen rund um Luke Skywalker (Mark Hamill) und Han Solo (Harrison Ford) erst möglich machen.
Cassian Andor ist hier nicht der strahlende Held, um den sich alles dreht. Vielmehr ist er eine zweifelnde und gepeinigte Hauptfigur, die in ein großes Figurenensemble aus Rebellen, Spionen und Gegenspionen eingebettet wird. Darunter Cassians Freundin Bix Caleen (Adria Arjona) oder die versteckt agierenden Revolutionsköpfe Luthen Rael (Stellan Skarsgard) und Mon Mothma (Genevieve O'Reilly), die wiederum auf Antagonisten aufseiten des Imperiums treffen: Orson Krennic (Ben Mendelsohn) zum Beispiel, hochrangiger Offizier des Galaktischen Imperiums. Als Direktor der Rüstungsforschung des Imperiums wird Krennic später die Aufsicht über das "Todesstern"-Projekt erhalten.
In "Andor" heißt es für ihn erst mal: die aufkeimende Revolutuion ersticken, wobei ihm scharfsinnige, aber auch von Dämonen getriebene Agenten wie Deedra Meero (Denise Gough) oder Syril Karn (Kyle Soller) zur Seite stehen. Wobei es bei "Andor" nie so einfach ist, wie es sich hier liest. Wer welches Spiel spielt oder welche Wendung ein Charakter erfährt, erinnert an Glanzzeiten-Staffeln der großen Politerzählung "Game of Thones", an deren Qualitäten "Andor" in mancherlei Hinsicht anknüpft.
"Andor", das Fest fürs Auge
Was "Andor" außerdem mit "Game of Thrones" verbindet, ist die Tatsache, dass die Serie fast übermenschlich gut aussieht. Gefühlt wird man pro Folge in mehr als ein Dutzend neuer Welten und Sets eingeführt, die so groß und echt wirken, als wäre man selbst auf einem Weltraumtrip in einer dicht bevölkerten Galaxie gestrandet. Aus dem Staunen kommt man bei Ansicht von "Andor" auch in Staffel zwei nicht heraus. Tony Gilroy und sein überragender Set-Designer Luke Hull ("Chernobyl") haben für die Serie eine der beeindruckendsten Kulissen der Science Fiction-Geschichte erschaffen.
Für "Andor"-Fans ist die Fortsetzung der Serie ein Fest. Skeptikern sei gesagt: Seht mal, was man aus der "Star Wars"-Welt für tolle Sachen entwickeln kann - wenn man die richtige Vision hat.