Murmeltier-Tatort aus Wiesbaden: Murot, der Serienmörder
Tatort Wiesbaden: Ein wie immer höchst sehenswertes Absurditäten-Spektakel mit Ulrich Tukur. © HR/Bettina Müller,
Irgendwie ist es doch jede Woche das Gleiche: Wochenende vorbei, ein paar Sachen für die Woche vorbereitet und dann Tatort. Der immer gleiche Trott, manchmal auch das Gefühl, den immer gleichen Tatort zu sehen. Dieses Gefühl treibt der wie immer geniale Wiesbaden-Tatort am Sonntag auf die Spitze: "Murot und das Murmeltier" - der Name verrät es schon - lehnt sich hemmungslos und mit großem Spaß an den Bill-Murray-Klassiker "Und täglich grüßt das Murmeltier" an. Felix Murot (Ulrich Tukur) ist in einer Zeitschleife gefangen und erlebt jeden Tag den gleichen Fall aufs Neue.
Herkömmliche Sehgewohnheiten werden dabei nicht nur strapaziert, sondern lustvoll mit der Kettensäge zerlegt. Wer am Sonntag ohne Vor-Info den Fernseher anschaltet und seinen Whodunnit-Tatort mit "Wo waren Sie gestern abend"-Fragerei erwartet, wird aus dem Sessel kippen. Der Rest wird königlich unterhalten. Und wir lehnen uns nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir prophezeihen, dass "Murot und das Murmeltier" sich vor Ehrungen und Superlativen wohl kaum wird retten können.
Darum geht's im Tatort "Murot und das Murmeltier
Die Story dabei ist recht simpel: Morgens um 7.30 Uhr klingelt
das Telefon von LKA-Ermittler Felix Murot (Tukur). Es ist seine
Assistentin
Magda Wächter
(Barbara Philipp), die ihm mitteilt, dass es eine Geiselnahme in
einer Bank gibt, und dass er sofort kommen muss. "Wer überfällt
denn heute noch eine Bank?", murmelt Murot, und: "Wahrscheinlich
wieder ein verzweifelter Amateur." Wächter soll schon einmal alles
vorbereiten, das sei ja klassische Polizei-Routine. Waschen,
rasieren, anziehen, jeden Morgen die gleiche Prozedur.
Murot fährt zum Tatort, legt sich eine Schutzweste an und
begibt sich in die Bank, um den Bankräuber und Geiselnehmer zur
Aufgabe zu überreden. Dank gelernter Polizeipsychologie kann er den
Geiselnehmer überzeugen, sich zu stellen. Doch im letzten Moment
geht irgendetwas schief. Murot wird erschossen und wacht
schweißgebadet zu Hause wieder auf. Sein Telefon klingelt. Es ist
Wächter. Sie ruft ihn zu einem bewaffneten Banküberfall mit
Geiselnahme. Ein Routinefall - so scheint es. Murot fürchtet um
seinen Verstand und wird - auf seine Art - zum Serienmörder.
Lohnt sich das Einschalten beim Tatort aus Wiesbaden?
Wie gesagt: Wer auf standardisierte Krimi-Kost steht, sollte es bleiben lassen (und damit dann ironischerweise mal für Abwechslung sorgen). Alle anderen sollten unbedingt einschalten, denn über diesen Tatort wird mal noch lange reden. Geniale Idee, der Mut zur unkonventionellen Umsetzung (wenig überraschend zeichnen sich einmal mehr die HR-Redakteure Jörg Himstedt und Liane Jessen verantwortlich) und das starke Spiel von Ulrich Tukur machen diesen Film herausragend.
Aber klar, wie immer bei derartigen Experimenten wird es auch zu " Murot und das Murmeltier" viel Unmut geben. Wer etwas zum Meckern sucht, kann sich an den etwas blassen Nebenfiguren, den Längen im Mittelteil und dem etwas unbefriedigenden Ende aufziehen. Man muss sich auf das Experiment einlassen und Lust darauf haben.
Regisseur Dietrich Brüggemann, der auch schon den vielgelobten Stuttgart-Tatort "Stau" inszenierte, lässt Murot mit großer Lust eskalieren und dreht die Absurditäts-Schraube immer weiter. Ähnlich wie bei "Im Schmerz geboren", der bei einigen als bester Tatort aller Zeiten gilt, fließt jede Menge Blut, ohne jedoch in Tschillersches Geballer abzurutschen.
Also: Unbedingt einschalten - und wenn es nur dazu dient, hinterher mitreden zu können über diesen außergewöhnlichen Tatort!
(mit Material von Spot On News)