Tatort aus Dresden: Genial mit Beigeschmack
Tatort aus Dresden: In "Déjà-vu" stehen Karin Gorniak (Karin Hanczewski), Schnabel (MArtin Brambach) und Henni Sieland (Alwara Höfels) unter Druck. © MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronato
Der Tatort aus Dresden ist und bleibt eine Wundertüte. Von launiger Komödie ("Auf einen Schlag") bis hin zum Total-Reinfall ("Level X") war bislang alles dabei - sowohl erzählerisch als auch qualitativ. Mit dem fünften Fall "Déjà-vu" kommt ein weiterer Tonfall hinzu. So ernst hat man das Team bislang noch nicht erlebt, und es zeigt, dass trotz bisweilen holpriger Ansätze Potential im Team steckt.
Die Geschichte ist zwar nicht neu, aber immer wieder
erschreckend: Der neunjährige Rico Krüger (Joel Simon) verschwindet
spurlos. Bald darauf finden Jugendliche seine Leiche am Dresdener
Elbufer. Die Bürger sind in Aufruhr, die Medien schüren Angst,
schnelle Ermittlungsergebnisse werden von
Henni Sieland
(Alwara Höfels) und
Karin Gorniak
(Karin Hanczewski) gefordert. Kommissariatsleiter
Peter Michael
Schnabel (Martin Brambach) reagiert ebenfalls ungewohnt
emotional, da er das Verschwinden eines anderen kleinen Jungen vor
drei Jahren nicht aufklären konnte. Gibt es womöglich einen
Zusammenhang zwischen den Fällen?
Der Anruf von Jennifer Wolf (Alice Dwyer), die beim Schulamt
arbeitet, lenkt den Verdacht auf Ricos Schwimmtrainer Micha Siebert
(Niels Bruno Schmidt), denn der hat angeblich eine pädophile
Vergangenheit. Als Ricos Stiefvater Stefan Krüger (Jörg Malchow)
davon erfährt, will er Siebert töten. Kommissarin Sieland wird bei
dem Angriff verletzt und muss in die Klinik. Dann gerät ein
weiterer Junge in höchste Gefahr...
"Déjà-vu" ist spannend und hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Eltern von kleinen Jungs dürfte der Film allerdings besonders zu schaffen machen. Doch auch viele andere werden Sätze wie "Mein Kind ist bloß noch ein Kind an der Wand" nicht kalt lassen. Nachdenklich stimmen zudem der Umgang von Mitwissern mit Pädophilen, aber auch jener mit zu Unrecht Verdächtigten. Und dann sind da noch die gentechnischen Ermittlungsmethoden, die aus Sicht von Kommissariatsleiter Schnabel möglich wären, aus Datenschutzgründen in Deutschland aber nicht eingesetzt werden dürfen.
Wenn der Populist sympathischer ist als die Realistin
Dieser Part hinterlässt einen leicht bitteren Beigeschmack: Schnabel als Karikatur des verstaubten, technik- und zukunftsfeindlichen Chauvinisten ist leider dermaßen gelungen (auch Dank Darsteller Martin Brambach), dass die zum überwiegenden Teil recht betagten Tatort-Zuschauer diese Figur für voll nehmen. Das war schon in früheren Fällen so. Und wenn sich Schnabel in diesem Fall über rechtsstaatliche Regelungen aufregt, tritt er damit leider populistisches Geschrei breit. Wer den parodistischen Zug der Figur nicht wahrnehmen kann oder will, bekommt das möglicherweise in den falschen Hals.
Dieser Tatort ist der fünfte und auch schon wieder vorletzte Fall von Alwara Höfels als Kommissarin Henni Sieland. Den letzten zeigt das Erste voraussichtlich am Pfingstmontag. Warum sie aus dem Amt scheidet, wird im Laufe dieses Krimis schon mal angedeutet. So richtig schwer wird einem ihr Ausstieg mit dieser Folge allerdings nicht gemacht. Denn ihre Genervtheit und Unhöflichkeit gegenüber fast jedem wirken relativ unglaubwürdig - und damit war sie offenbar selbst auch unzufrieden, ließ sich aus den Statements heraushören. Besonders deutlich wird das im Zusammenspiel mit Grimme-Preisträger Martin Brambach (50, "Die Stadt und die Macht"), denn der spielt seine ambivalente Figur sogar in abwegigen Szenen gewohnt genial bis an die Schmerzgrenze. Ein weiteres Beispiel für die oben aufgezeigte Problematik: Wenn der Populist besser rüberkommt, als die gemäßigte Realistin, fühlen sich die falschen Kreise von diesem Tatort angesprochen.
(mit Material von Spot On News)