Oliver Mommsen: "Pack die Keule weg, Neandertaler!"

Im Film "Ein offener Käfig" (10. Oktober, 20.15 Uhr, Das Erste) wird der Familiensinn von Oliver Mommsen gehörig auf die Probe gestellt. Im Interview verrät er, wie es privat damit aussieht.
Das Erste hat wieder einen Themenabend zusammengestellt. Diesmal geht es um Sicherungsverwahrung und den Start macht der Spielfilm "Ein offener Käfig" (Mittwoch, 20.15 Uhr). Das sehr sehenswerte Drama erzählt von einem aus der Haft entlassenen Vergewaltiger, der zu seinem Bruder (Oliver Mommsen) und dessen Familie in die Heimatstadt zurückkehrt. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt der 45-jährige Schauspieler, den viele auch als Bremer "Tatort"-Kommissar Nils Stedefreund kennen, eine besonders anspruchsvolle Szene. Mommsen erzählt außerdem, wie er erfahren hat, dass er Vater wird - und dass er nicht für einen Filmpreis nominiert ist.
Oliver Mommsen spricht im Frühstücksfernsehen über Familie - hier gibt es das Video
Herr Mommsen, am Schluss des Films versteht man jede beteiligte Seite und hat trotzdem keine Antwort. Warum?
Oliver Mommsen: Jede Figur reflektiert das Problem auf ihre Art und schlussendlich wird klar, dass es auf das Thema keine Antwort gibt. Es gibt nur eines: Pack die Keule weg, Neandertaler, und denk darüber nach! Blutrache ist nicht die Lösung, denn unsere Zivilisation hat sich ein paar 1000 Jahre weiterentwickelt.
Besonders beeindruckend ist das Plädoyer des erwachsenen Opfers, gespielt von Catherine Flemming. Sowas sieht man selten, weil Opfer auch tatsächlich nicht oft reden...
Mommsen: Nicht nur das Ergebnis war so beeindruckend, auch der Drehtag war es. Regisseur Johanne Grieser ist einerseits großartig, andererseits aber auch unerbittlich. Und weil er diese Szene aus sehr vielen Perspektiven aufgenommen hat, musste Catherine Flemming diese erschütternden Worte immer und immer wieder sagen. Wir anderen standen nur da und haben gestaunt.
Wie wichtig ist Ihnen selbst der Familienzusammenhalt?
Mommsen: Ich lebe in einem Familienverband und der ist mir sehr wichtig. Ich bin glücklich, dass ich das habe, weil es mir viel Kraft gibt. Natürlich steigt man da aber auch nicht so einfach aus, gerade wenn man Kinder hat. Meine Frau und ich sind jetzt seit 18 Jahren zusammen. Da sind wir beide auch ein klitzekleines bisschen stolz drauf.
Gab es nie den Gedanken an eine Trennung?
Mommsen: Doch natürlich gab es mal solche Phasen, dann aber trotzdem weiterzumachen, ist eine unglaublich schöne Erfahrung.
Und wenn die Familie krank macht?
Mommsen: Ich halte nichts von geschmiedeten Banden für immer und ewig, aus denen man dann nicht mehr heraus kann.
War das schon immer Ihre Einstellung?
Mommsen: Als Jugendliche haben ein Kumpel und ich schon davon geträumt, immer füreinander da zu sein, auch wenn einer mal im Gefängnis landen würde. Wir haben uns versprochen, die Freundschaft immer über die Familie zu stellen. Das war Männer-Romantik, heute sehe ich es anders.
Der Kontakt zu Heranwachsenden ist nicht ganz einfach. Wie lösen Sie das?
Mommsen: Das fällt mir nicht so schwer. Ich bin schon so aufgewachsen, auch meine Mutter hat mich immer eher als Partner gesehen, mich in alles einbezogen und versucht, mich zu verstehen. Mein Vater ist leider zu früh gestorben, in der Richtung waren wir aber auch auf einem superguten Weg.
Und wie halten Sie es mit Ihren Kindern?
Mommsen: Mein Sohn und ich hatten erst kürzlich wieder einige unglaublich tolle und inspirierende Gespräche, während wir hier mal sturmfreie Bude hatten, weil die beiden Mädels - meine Frau und unsere Tochter - nicht da waren und das ist ein Erlebnis. Wer sich darum bringt, verpasst etwas im Leben. Manchmal muss ich schon schmunzeln, wenn ich mitbekomme, wie ein Erwachsener mit einem Siebenjährigen redet, als sei der grenzdebil. Duzi duzi geht im ersten Jahr, ab dem zweiten kann man langsam anfangen, normal mit den Kindern zu sprechen.
"Papa, du bist peinlich", haben Sie aber trotzdem schon mal gehört?
Mommsen: Das steht bei mir ganz oben im Vertrag, nicht mal kleingedruckt. Ich bin für alle, die mit mir zu tun haben, ab einem gewissen Punkt peinlich. Meine Tochter schämt sich beispielsweise in Grund und Boden, wenn ich plötzlich auf der Straße Hip-Hop-Tanzschritte mache. Mein Sohn ist da etwas anders, der weist mich dann schon mal liebevoll zurecht...
Wie haben Sie denn erfahren, dass Sie Vater werden?
Mommsen: Ich dachte, ich bin im Film. Wir sind zum Frauenarzt gegangen und nachdem er die Testergebnisse gelesen hatte, stand er auf, reichte mir über den Tisch hinweg die Hand und sagte: "Herzlichen Glückwunsch, Herr Mommsen, Sie werden Vater!" Als wir dann mit dem kleinen Punkt auf dem Foto nach Hause gefahren sind, haben meine Schwiegereltern spontan eine kleine Baby-Party gegeben. Da haben wir dann mit zehn Leuten diesen kleinen Punkt gefeiert...
Und wann kamen die berühmten Zweifel...
Mommsen: Das weiß ich noch ganz genau. Während einer Fahrt mit der Linie 119 vom Kudamm nach Kreuzberg hat es mich plötzlich erwischt. Ich dachte, ich schaff das nicht. Es gab noch nie etwas in meinem Leben, das länger als zwei Jahre überlebt hatte: Haustier, Beziehung, Pflanze, Elektrogerät... Von diesen Phasen gibt es im Laufe einer Schwangerschaft leider mehrere. Das Tolle ist aber, dass die Kinder nicht als 18-jährige Schwerverbrecher auf die Welt kommen. Sie fangen ganz klein an. Und langsam findet man dann auch in seine Aufgabe hinein.
Wie war's beim zweiten Kind?
Mommsen: Da wurde uns erst mal klar, wie wir beim ersten unter Strom standen. Wenn ich damals mit dem Kinderwagen hinausgegangen bin, wollte ich vorher eigentlich das Berliner Verkehrsministerium darum bitten, den Verkehr für ein paar Stunden anzuhalten, damit wir gefahrlos spazieren gehen können... Was man alles macht und unter welchen Hirngespinsten man leidet, ist schon Wahnsinn. Trotzdem gehören Kinder wirklich zu den ganz großen Abenteuern im Leben.
Ein großes Abenteuer scheinen auch so erfolgreiche Formaten wie "Promi Big Brother" oder "Dschungelcamp" zu sein. Verfolgen Sie diese Sendungen?
Mommsen: Die sind mir zu zeitintensiv, obgleich es da schon echte TV-Highlights geben kann. Außerdem vereint es, weil man immer was zu reden hat, ähnlich wie das Thema Fußball. Während der Vorbereitung auf den "Star Biathlon" kam ich übrigens mal in den Hochgenuss, eine Folge "Dschungelcamp" mit Vollprofis wie Thomas Heinze, Ulla Kock am Brink und Joachim Llambi zu schauen. Das war ganz großes Kino!
Alles andere als ein Hochgenuss scheint dagegen die "Ice Bucket Challenge" zu sein, die seit einiger Zeit durch die Internet-Welt geistert. Was halten Sie davon?
Mommsen: Einerseits kann ich es nicht mehr sehen und finde irgendwie auch ungut, dass so viele andere Themen dadurch verdrängt werden. Andererseits finde ich es natürlich eine großartige Sache, durch eine solche Aktion auf ein zu wenig beachtetes Thema aufmerksam zu machen. Es ist schon beeindruckend, was das Internet möglich macht.
Sind Sie schon nominiert worden?
Mommsen: Ja und muss für mich noch klären, wie ich damit umgehe. Ich tendiere zu einfach nur spenden, weil ich nicht genau weiß, ob ich wirklich das 4000ste Filmchen dazu machen muss...
Wie haben Sie von der Nominierung erfahren?
Mommsen: Meine Frau hat mir eine SMS geschickt: "Du bist nominiert!" Was denkt der eitle Schauspieler da? "Wie geil, Fernsehpreis?" Mein Herz flog schon höher. Dann kam die Antwort. "Eiswürfel"... Das war nicht nett von ihr.